XIV
kauf der äusserst kostspieligen Spitzen von Seiten des Gesetzes
eine heilsame Schranke gestellt wurde. Denn ungeheure Summen
wanderten jährlich auf Nimmerwiederkehr aus Frankreich, um
kolossale Quantitäten der von der hohen Damenwelt so sehr ge
suchten und effektvollen points de Bruxelles, points de Venise, de
Genes, de JRaguse etc. anzukaufen. Was aber vermögen auf die
Dauer noch so strenge Luxusgesetze gegen die Uebermacht der
Mode? Heute erlassen, werden sie morgen schon bei Seite ge
schoben und eröffnen dagegen den Einschwärzern und Schmugg
lern einen äusserst ergiebigen Wirkungskreis.
Von der Richtigkeit des Gesagten überzeugte sich bald nach
dem Erlass des Edicts von 1660 der grosse Colbert, indem er
als kluger Minister von der übergrossen Vorliebe für auslän
disches Spitzenwerk im Interesse der Staats-Revenuen Vortheile
zu gewinnen suchte, anstatt wie früher dem Uebel durch Luxus
gesetze machtlos entgegen zu treten. Sein Augenmerk richtete
sich deswegen auf die erprobte Kunstfertigkeit einer Mm. Gilberts
aus Alengon gebürtig, die schon seit längerer Zeit mit gelungenen
Imitationen von Venetianischen Spitzen sich beschäftigt hatte.
Colbert ging bei seinem Interesse, die ausländischen theuern
Spitzen auf französischem Boden angefertigt zu sehen, noch wei
ter, indem er sein Schloss Lonray (Orne) bei Alencon der oben
gedachten Künstlerin als Atelier zur Herstellung von imitirten
Spitzen einräumte. Mm. Gilbert begann wirklich im Jahre 1665
im Schloss Lonray, umgeben von 30 geübten Spitzenmacherinnen,
die man mit grossen Kosten aus Italien hatte kommen lassen,
den points de Venise auf französischem Boden Concurrenz zu
machen. Der gewagte Versuch gelang vollständig und nach Ab
lauf einiger Zeit hatte Colbert die Genugthuung, dass er seinem
Souverain die ersten grossartigen Leistungen der Mm. Gilbert im
Schlosse zu Versailles in einer Ausstellung vorlegen konnte.
Ludwig XIV. war .mit diesen unerwarteten Erfolgen, die verführe
rischen ausländischen Spitzen im eigenen Lande anzufertigen, äus
serst zufrieden und befahl, dass man diese gelungenen Imitationen
von Venetianischen, Genueser und Spanischen dentelles fernerhin
points de France nennen sollte und dass fortan am Hofe nur
allein diese neuen Spitzen der Mme. Gilbert getragen werden