XVII
die nordischen Gegenden über und welche Leistungen sind auf
dem Gebiete der Spitzenfabrikation für Deutschland zu verzeichnen.
Bei den engen Bezügen, die zwischen den flandrischen
Provinzen und den übrigen Ländern des deutschen Reiches in
jenen Zeiten bestanden, als nach Ablauf der spanischen Herr
schaft ebengedachte Provinzen von einem Mitgliede des Erzhauses
Habsburg regiert wurden, darf es nicht auffallend erscheinen,
dass schon im XVL, aber mehr noch im XVII. Jahrhundert
flandrische Spitzenmacher ihre Industrie auch in den benach
barten Provinzen des deutschen Reiches einzubürgern suchten.
So scheint es ferner keinem Zweifel zu unterliegen, dass schon
im XVL Jahrhundert, namentlich im sächsischen und böhmischen
Erzgebirge durch flandrische Spitzenklöpplerinnen die ersten An
fänge einer Industrie begründet worden sind, die im folgenden
Jahrhundert für die ebengedachten armen Gebirgsgegenden eine
Quelle von andauerndem Wohlstand geworden ist. Gleichwie
jedoch der Thatkraft Colberts, dem Yorhergesagten zufolge,
die Begründung und der Flor der Spitzenindustrie in Alen^on
und in den übrigen Industriestädten Frankreichs zu verdanken
ist, so gebührt der reichen unternehmenden Bürgersfrau Barbara
Utmann das unbestrittene Verdienst, dass sie in der letzten Hälfte
des XVI. Jahrhunderts die Spitzenindustrie im Harz und im sächsi
schen Erzgebirge, wenn auch nicht begründet, doch zu hoher Bliithe
gebracht hat. Barbara Utmann stammte aus einer bürgerlichen
Familie aus Nürnberg, mit Namen Etterlein und heirathete einen
reichen Grubenbesitzer des Harzes. Die Lokaltradition berichtet,
dass Frau Barbara von einer protestantischen Flamänderin,
welche in den religiösen Streitigkeiten unter Herzog Alba ihr
Vaterland verliess, die Kunst der Spitzenmacherei auf dem Kissen
erlernt habe. Im Jahre 1561 liess dieselbe aus Flandern eine
Anzahl Spitzenklöpplerinnen nach Annaberg kommen und grün
dete unter Beihülfe derselben daselbst, vorerst im kleineren Um
fange, eine Spitzenschule, welche es sich zur Aufgabe stellte, die
verschiedenen Spitzen anzufertigen, wie sie damals in Flandern
von der Mode gesucht wurden.
Nicht lange Jahre dauerte es und die unternehmende Frau,
die bereits um das Jahr 1575 starb, hatte die Freude, wahr-