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zunehmen, dass im ganzen Erzgebirge und der bairischen Grenze
entlang die von ihr gegründete Industrie allenthalben festen Fuss
gefasst hatte. Bereits im XVII. Jahrhundert sollen im sächsischen
Erzgebirge 30000 Personen sich mit Anfertigung von Spitzen be
fasst haben, wodurch mehr als 1 Million Thaler jährlich diesen
von der Natur wenig begünstigten Gebirgsgegenden zufloss. Heute
noch ehrt das Städtchen Annaberg im sächsischen Erzgebirge
dankbar das Andenken der hochherzigen Begründerin der säch
sischen Spitzenindustrie. Ueber ihrem Grabe auf dem dortigen
Kirchhof erhebt sich ein Monument im griechischen Style,
das folgende Inschrift trägt: „Hier ruht Barbara Utmann, ge
storben den 15. Januar 1575. Dieselbe gründete die Spitzen
industrie im Harzgebirge und wurde auf diese Weise die Wohl-
thäterin der Gebirgsbewohner.“ Gegen Schluss des XVI. Jahr
hunderts scheint auch eine einträgliche Spitzenindustrie in und
um Dresden grössere Fortschritte gemacht zu haben. Es werden
nämlich um diese Zeit in französischen Inventaires und Comptes
solche sächsische Spitzen unter dem Namen treilliz noir d’Allemagne
namhaft gemacht. Unter den Schriftstellern, die von der blühen
den sächsischen Spitzenindustrie sprechen, sind besonders Ander
son und Savary hervorzuheben. Die bessern Sorten von säch
sischen Spitzen, besonders jene, die mit der Nadel hergestellt
wurden, hatten im XVII. und XVIII. Jahrhundert einen solchen
Ruf, dass sogar die Spitzenmacherinnen von England, Schottland
und Irland sich durch diese Erfolge angeeifert sahen, die säch
sischen Spitzen in ihren Dessins und in ihrer Technik nachzuahmen
und so für billigem Preis auf den Weltmarkt zu bringen. In den
beiden letzten Jahrhunderten hatte fast in den meisten kleineren
Städten und Dörfern des sächsischen Erzgebirges die Spitzenklöp
pelei festen Fuss gefasst und wurde, was heute auffallend erscheinen
möchte, dieselbe meistens von Knaben und jungen Leuten, nament
lich zur Winterszeit, wenn der wenig ergiebige Feldbau ruhte,
fleissig betrieben. Die Schriftsteller der damaligen Zeit machen
als eine Eigenthümlichkeit bei den sächsischen Spitzen darauf
aufmerksam, dass man genau habe unterscheiden können, ob die
Spitzenklöppelei von männlichen oder weiblichen Händen ange
fertigt worden sei. Im ersteren Falle wohne diesen dentelles