XXVI
Spitzen und Kanten in besonders reicher Musterung und delikater
Technik anzusammeln und aufzustellen, die in der Regel darauf
berechnet sind, "Effect zu machen und namentlich die Bewunde
rung der grossen Damenwelt auf sich zu ziehen. Dass solche
meist kostspieligen Paradestücke den theoretischen und prakti
schen Bestrebungen zur nachhaltigen Regenerirung der Spitzen
industrie in heutiger Zeit nur geringe Vortheile bieten, leuchtet
ein. Sollen solche öffentlichen Aufstellungen von Sammlungen
älterer durchbrochener Weisszeugarbeiten dem praktischen Neu
schaffen dauernde Vortheile zuführen, so müssen nicht nur allein
die feineren und selteneren Spitzen aus der Blüthezeit der Fabrikation
in einzelnen Exemplaren repräsentirt sein, sondern es muss bei sol
chen öffentlichen Sammlungen besonders darauf Ge wicht gelegt wer
den, dass sämmtliche genera und species dieser in früheren Jahr
hunderten so sehr bevorzugten Industrie und zwar in den reichern,
mittleren und einfachen Sorten möglichst vollständig zur Anschauung
gebracht werden. Bei Anlage und Einrichtung solcher instruktiven
Sammlungen, wie sie nur grössere Museen nnd Fachschulen anzu
schaffen in der Lage sind, entsteht naturgemäss die Frage: welche
Klassißzirung und systematische Eintheilung ist für. die wissen
schaftliche Aufstellung einer solchen Kollection von Spitzen, welche
das Gesammtbild einer vierhundertjährigen Industrie veranschau
lichen soll, einzuhalten? Soll dieselbe chronologisch angelegt,
oder nach den Städten und den einzelnen Distrikten der Anfer-
tigung geordnet werden, oder aber soll die Musterung und die
Fabrikationsweise der verschiedenen Spitzengattungen bei der
Eintheilung und Anordnung massgebend sein? Aus mehreren
Gründen gaben wir einer Klassifieirung nach den Dessins und
den technischen 1 abrikationsarten unbedingt den Vorzug. Chro
nologisch eine solche Sammlung zu ordnen, geht aus dem Grunde
schon nicht an, weil man in verschiedenen Perioden sehr häußg
die Musterungen und die Technik einer ältern Epoche wieder
aufgegriffen und mit grossem Geschick wieder in Schwung gebracht
hat. So wurden, um unter den vielen nur eine Reproduction
von älteren Spitzengattungen hervorzuheben, die schönen vene-
tianischen Spitzen aus der spätem Blüthezeit der Republik,
bekannt unter dem Namen points de rose, in Frankreich unter