GELEITWORT
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halb ist das, was schlechthin schön und kräftig ist, was Größe, Haltung,
was Lebensfreude und Lebenssicherheit zeigt, schon in den Gegenständen
bevorzugt worden. Auch von den vielen Marienstatuen sind solche ge
wählt, die das grunddeutsche Thema der Mutter mit dem Kinde, eines
der frohesten und ernstesten zugleich, jenseits aller religiösen Motivie
rung in einer Weise gestalten, die in immer neuer Abwandlung dennoch
zu unserem heutigen Empfinden spricht.
Gewiß, das meiste, was gezeigt wird, stammt aus dem Bereich des
Religiösen. Denn es gibt aus altdeutscher Zeit nur ganz Weniges, was zu
profanem Zweck geschaffen wurde. Aber in den Aufträgen für die Dome
und Altäre, dem Auftraggeber selbst und zumeist auch dem Künstler un
bewußt, spricht sich dennoch das ganze Lebensgefühl unserer Ahnen, ihr
Denken und ihr Empfinden, ihre Begabung und ihr Charakter, die Ehr
lichkeit ihres Könnens und die Größe ihres Strebens aus. Das alles aber
brauchen wir, um uns selbst daran zu stärken. Es ist kaum notwendig,
ein Wort darüber zu verlieren, daß wir unsere größte Vergangenheit und
ihre Kunst nicht deshalb verleugnen wollen, weil sie im Dienst oder im
Auftrag einer Anschauung stand, die heute nicht mehr die bestim
mende ist.
Auch für die Aufstellung der gewählten Gegenstände ergaben sich
manche neue Notwendigkeiten, wollte man konsequent die für uns stärkste
künstlerische Wirkung über die historische Aussage stellen.
Aus diesem Grunde entspricht übrigens auch dieser Führer nicht ganz
der Form eines wissenschaftlichen Kataloges, wie er sonst vom Fach
gelehrten für den Fachgelehrten geschaffen wird. Nur die notwendigsten
Angaben über Material, Maße und Herkunft der Werke und das letzte
Schrifttum wurden jeweils aufgenommen, nicht aber die ausführliche
Begründung der Zuschreibungen und Zeitangaben und des gelehrten
Meinungsstreites.
Das Flauptergebnis des großen Unternehmens darf wohl mit der
Meinung vorweggenommen werden, daß unsere Heimat das reichste
Kunstgebiet Deutschlands, für die ganze Dauer der Epoche gesehen, ge-
gewesen ist: daß sie am Beginn, nach 1300, den großen führenden Kunst
stätten des Rheinlandes ebenbürtig war, daß sie sich im späteren 14. Jahr
hundert Böhmen vergleichen darf, das damals an der Spitze stand, und
daß sie endlich in der altdeutschen Blütezeit Franken, dem Hauptgebiet
von damals, kaum nachsteht.
Und ein zweites Ergebnis, beleuchtet durch zahlreiche Gipfelwerke, die
von andersstämmigen Meistern in der Ostmark oder für die Ostmark