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Auf der anderen Seite ist gerade die Betheiligung weiblicher
Kräfte an der Kunstindustrie der Gegenwart derjenige Zweig,
welchem das Bedtirfniss und das Verlangen nach Besserem in
der Bevölkerung besondere Sympathien und ausgebildetere
Kenntnisse entgegenbringt und nicht minder aus demselben
Grunde auch wieder derjenige, welcher kraft seiner Popularität
am meisten umgekehrt auf die Veredlung des Geschmackes zu
rückwirken kann. Wir haben hiebei natürlich insbesondere das
Textilfach im Auge. Frauenhände verrichten seine Missionen in
der exactesten und tüchtigsten Weise, sie bringen wenigstens
die technische Schulung seit Langem mit, ihr Wirkungskreis
greift in die mannigfachsten Gebiete des Volkslebens und der
Volkswirtschaft bedeutsam ein, sie werden somit die geeignetsten
Vermittler der Kunst mit dem Hause, die Apostel des Ge
schmackes für seine Einbürgerung in Palast und Hütte.
Aber es ist auch kaum für ein anderes Fach so viel und so tüchtig
gerade in Oesterreich vorgearbeitet gewesen, als für jenes der
Stickerei, so dass die Bildung fachlicher Schulen hier ein ziem
lich vorbereitetes Terrain finden musste und mit der ersten That,
welche zu solchen Zwecken geschah, allerseits ein begeistertes
Echo laut wurde.
Die grosse Schaar von willigen und nicht willigen Dilettan
ten auf diesem Felde war gleichfalls eine beträchtliche indigesta
moles, welche eines, das Chaos lichtenden und richtenden Vor
ganges dringend bedurfte. S i e hatte indess am meisten schon
die durch Vorlesungen und Schriften des Faches verbreitete
geistige Nahrung in sich aufgenommen, wozu der Same seit
Jahren reichlich ausgestreut worden war. Die Begabteren und
künstlerisch höher Gebildeten neigten sich immer mehr einer Rich
tung zu, welche gegen die formidable Geschmacklosigkeit der ver
käuflichen fertigen und zur Ausführung bereiteten halbfertigen
Waare energisch Front machen wollte, jenem Meere von
Unsinn und Unnatur, das vorzugsweise vom Berliner Markte
her uns zu überschwemmen drohte. Hier ist es vor Allem das
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