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Gordon Matta-Clark. auf prozeßorientierten Aktivitäten beruhten. Matta-Clark, der
Photo-Fry in erster Linie durch seine Dekonstruktionen von Bauten
(Photopfanne), 1969 bekannt wurde, widmete sich von 1969 bis1972hauptsächiich
der Performance. Sein Werk Photo-Fry inszenierte er für eine
von John Gibson organisierte Ausstellung in New York mit dem
Titel »Documentations«; In einer altmodischen Pfanne briet er
im schwimmenden Fett Photographien - ein Akt, der so
despektierlich mit der Photographie umging wie diese einst
mit der Malerei. Die Photographien waren käuflich erwerbbar,
wurden ausgestellt und sind mitsamt Herd, Pfanne und Gas
flasche bis heute erhalten geblieben.®'
Am 25. Dezember des gleichen Jahres organisierte Matta-Clark
einen Event mit dem Titel Christmas Piece, der sowohl als
Geburtstagsfeier für seinen ehemaligen Kommilitonen an der
Cornell University, Alan Saret, als auch als Eröffnungsfeier für
das 98 Greene Street Loft, einen alternativen Veranstal
tungsraum für Poesie, Musik, Performance und Kunst,
gedacht war. Zur gleichen Zeit verschickte er auch gebratene
Weihnachtskarten an Freunde. Mary Jane Jacob beschreibt
den Event folgendermaßen: >’Die Performance-Installation
bestand aus einem verdunkelten Raum, beleuchtet von ein
paar Theaterspots, die an drei Bäumen - einem Weihnachts
baum, einer Stechpalme und einem blühenden Pfirsichbaum
- festgemacht waren. An der hinteren Wand waren hundert
Stühle aufgestapelt. Ein Gast nach dem anderen kam und nahm
sich einen Stuhl, so daß der Stapel immer kleiner und die
Gruppe immer größer wurde.«®® Die Performance bestand im
»Abräumen« der Stühle und jeder Gast, der Platz nahm, wurde
damit zum Performance-Künstler.
Im Jahr 1972 inszenierte Matta-Clark eine bedeutende Per
formance-Installation zwischen Greene Street 98 und 112, die
den Titel Open House (auch Drag-on oder Dumpstet) trug. Mit
Hilfe von Brettern und alten Türen teilte Matta-Clark einen
großen Industriemüllcontainer der Länge nach zuerst in drei
Teile und dann in weitere Unterteilungen mit diversen Öff
nungen. In dem so gestalteten Container wurden Geräusche
von einem von Ted Greenwald aufgenommenen Band
gespielt, während eine Reihe von Performances, u.a. ein Tanz
von Tina Girouard, Suzanne Harris und Barbara Dilley, statt
fand. Wie schon Christmas Piece war Open House eine Per
formance, in der die Teilnehmer den Raum, in dem sie sich
bewegten, aktivierten und veränderten.®®
Im gleichen Jahr wurde auch Matta-Clarks Hair aufgeführt,
eine plastische Performance, die darin bestand, daß er sich
nach einem Jahr erstmals wieder die Haare schnitt. In einer
Persiflage der Systeme und Raster, derer sich Minimalismus
und Konzeptkunst bedienten, fertigte er eine schematische
Zeichnung an, die an eine phrenologische Kartographierung
seines Schädels in Quadranten erinnerte. In einer privaten
Performance am Silvesterabend teilten er und Carol Good-
den jedes einzelne Haarbüschel ab und beklebten es mit
einem Schildchen, das die numerisch-alphabetischen Ko
ordinaten des Rasters trug. Die numerierten und mit Etiket
ten versehenen Haarbüschel existieren noch heute - die
87 Mary Jane Jacob, Gordon Matta-Clark: A Retrospective,
Ausst.-Kat., Museum of Contemporary Art, Chicago 1985, S. 22.
88 lbid.,S.24.
89 lbid.,S. 42-43.