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Ushio Shinohara, Box-Mal-Aktion, ca. 1960-62
Ushio Shinohara, Aktion, ohne Titel, 1960
te, andererseits bestand sie aber auf einer Reduktion
von Aktionen auf gemalte Bilder. Hier liegt der
grundsätzliche Unterschied zwischen der Aktionskunst
der Gutai-Gruppe und den Happenings von Kaprow und
anderen, deren Ziel es war, die Grenze zwischen Kunst
und Leben aufzuheben. Aufgrund dieser Reduktion von
Aktion auf Form hinterließ die Gutai-Gruppe eine ganze
Reihe von herausragenden Objekten, was für eine Grup
pe, die mit Aktionen arbeitet, durchaus ungewöhnlich ist.
Dies unterscheidet sie nicht nur von den europäischen
und amerikanischen Happening-Künstlern, sondern
auch von den Gruppen, die aus den »Yomluri Indepen-
dant«-Ausstellungen hervorgingen oder mit ihnen in Ver
bindung standen.
Betrachtet man die Aktionskunst der sechziger Jahre in
Tokio genauer, erscheint vieles davon sinnlos, ein reines
Ausleben aggressiver und destruktiver Impulse. Werke,
die irgendeine Form aufwiesen, waren äußerst rar. Als
Georges Mathieu, der 1957 mit Michel Tapie nach Japan
kam, in Osaka und Tokio öffentliche Vorführungen seiner
Maltechnik gab, war der Einfluß auf junge Künstler groß.
So ließ sich z. B. Ushio Shinohara von Mathieus Action
painting inspirieren und stellte in seiner ersten Einzelaus
stellung im Jahre 1958 eine Aktion vor, in der er die Lein
wand mit Pinsel und Messer bearbeitete, während im
Hintergrund eine Jazzband spielte. Zurück blieb schließ
lich eine zerfetzte Leinwand. Um 1960 kam Shinohara
auf die Idee, öffentlich mit Boxhandschuhen, die in sumi
getaucht waren, zu boxen/malen und erzeugte damit in
kürzester Zeit eine riesige Bildfläche. Seine Aktion, die
als Parodie von Mathieu und Pollock interpretiert werden
kann, unterschied sich erheblich von deren Arbeiten, da
das Bild selbst am Ende zerstört wurde.
Bei seinem Besuch in Japan traf Tapie nicht nur mit
Gutai-Mitgliedern zusammen, sondern auch mit anderen
jungen Tokioter Künstlern. Außer Shinohara erregte
damals auch Tomio Miki, der seine Werke regelmäßig
während der Aufführung seiner Aktionen zerstörte, Tapies
Aufmerksamkeit.33 Shinohara schrieb: «Unsere Aktions
kunst, die keine unvollständigen, starren Bilder duldete,
hatte nichts mit dem sogenannten Action painting von
Pollock zu tun. Sie ließ den Abstrakten Expressionismus,
der durch öffentlich geförderte Ausstellungen eine
immense, aber kurzlebige Popuiarität erreicht hatte
und sich in Happenings fortsetzte, die eigentlich meta
physische Aktionen waren, weit hinter sich.«3'*
Daraus läßt sich schließen, daß es den Künstlern der
»Yomiuri-lndependant«-Ausstellungen im Grunde nicht
darum ging, Werke zu hinterlassen. Vielmehr trugen die
Objekte, die sie in ihren Aktionen verwendeten, die
Spuren rücksichtsloser Zerstörung. Die Tendenz zur
Konfrontation zwischen dem Künstler und dem Gegen
stand seiner Aktion wird bei den Künstlern der Gutai-
Gruppe ebenso oft wahrgenommen wie bei jenen der
33 Ushio Shinohara, »Zenei no michi 5« (Der Weg der Avantgarde 5), in:
Bijutsu Techö, Juni 1966, S.61.
34 Ibid.