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Saburö Murakami.
Iriguchi (Eingang), 1955,
Sammlung Makiko Murakami
sich Ushio Shinohara und Tetsumi Kudö wiederholt des
Action painting, und Takumi Kazekura und Nobuaki Koji-
ma präsentierten auf der »Yomiuri Independant«-Aus-
stellung Werke, die den Einsatz ihres Körpers beinhal
teten.
Auch hier ist es wichtig, die zahlreichen, von diesen
Künstlern geschaffenen Objekte nicht bloß als Zeugnis
ihrer Aktionen, sondern als Metapher für den Körper zu
verstehen. Viele Objekte spielen direkt oder indirekt auf
den Körper an, z. B. Vaginales Tuch von Genpei Akase-
gawa, das aus einem schleimigen Material bestand und
das weibliche Geschlechtsorgan evozierte, Sandgefäß
von Shusaku Arakawa, wo mittels Schwamm und Flüs
sigkeit ebenfalls ein Organ angedeutet wurde, Tetsumi
Kudös penisartige, von der Decke herabhängende Rol
len und ein groteskes, penisähnliches Objekt von Yayoi
Kusama aus ihrer New Yorker Zeit.
Warum finden sich in der japanischen Kunst der Nach
kriegszeit immer wieder so explizite körperliche Meta
phern? Die Betonung der Körperlichkeit ermöglicht es,
ihren Gegensatz zur Visualität hervorzukehren. In den
Vereinigten Staaten entwickelte sich die zeitgenössische
Kunst auf der Grundlage der Überlegenheit visueller
Wahrnehmung - vom Abstrakten Expressionismus zur
Farbfeldmalerei bis hin zum Formalismus - und wurde
dabei von einer bestehenden kritischen Tradition beglei
tet und gestützt. Im Gegensatz dazu stand In Japan der
körperliche Ausdruck im Vordergrund. Eine visuelle Tra
dition existierte kaum, weder in der Kunstpraxis noch in
der Kunstkritik, und dies ist auch der Grund, weshalb die
Bilder der Gutai-Künstler lange ignoriert wurden. Fleute
werden Pollock und Shiraga im allgemeinen als die ein
flußreichsten Vertreter des Action painting bezeichnet.
Sobald aber Pollocks Bilder - das Ergebnis einer gewal
tigen gestuellen Anstrengung - an der Wand hingen,
wurden sie aufgrund ihrer visuellen Eigenschaften von
Kritikern wie Clement Greenberg und Michael Fried hoch
gelobt und bald als Prototyp formalistischer Malerei
gehandelt. Die taktilen Bilder Shiragas, die in gleichem
Maße die Spuren seines Körpers zeigten, wirkten da
gegen unzugänglich und entzogen sich einer visuellen
Wertschätzung. Japanische Kritiker erwiesen sich als
unfähig, das Einzigartige an Shiragas Werken, das mit
den Kriterien des Formalismus nicht zu fassen war, zu
verstehen.
Die kritische Bedeutung der Materialien (in bezug auf
Form und Zeit) in Shiragas Bildern ist selbst in Europa
und Amerika erst in den letzten Jahren erkannt worden.
Ein großer Teil der Werke der außergewöhnlichen Gutai-
Gruppe entstand dadurch, daß die Künstler versuchten,
ihre Aktionen in gemalte Bilder umzusetzen. Obwohl ihre
Werke ein dem Formalismus vergleichbares Potential
besaßen, fehlten zu jener Zeit »andere Kriterien« zu ihrer
Einordnung und Beurteilung. Japan besaß keine Kritiker
wie Flarold Rosenberg, der sich für die Verbindung zwi
schen Aktion und Kunst interessierte, und so wurde die
ses Thema nie ernsthaft diskutiert. Vielmehr wurde diese
Art von Kunst in den sechziger Jahren aus den Museen
verbannt, und ihre Beurteilung war nicht Gegenstand
einer kritischen Diskussion, sondern eines Gerichtsver
fahrens.
Eine weitere Gemeinsamkeit der japanischen Aktions
künstler war die Ortsgebundenheit bestimmter Werke.
Anfang der fünfziger Jahre, in den frühen Jahren der
Gutai-Gruppe, ließ allein die Wahl ungewöhnlicher Orte -
ein Kiefernwald unter sengender Sonne oder eine Bühne
- diese Art von Kunst als wegweisend erscheinen. Um
es mit den Worten der Künstler sagen: »Wir wollten her
ausfinden, wie wir in dem vorgegebenen Kiefernwald
existieren können, und setzten begeistert all unser Wis
sen über Form ein, und auch unsere Körper.«“*® Die »First
Gutai Exhibition« {bei der Murakami Zerreißen von
Papier aufführte) fand in dem den Künstlern zuvor nicht
bekannten Ohara Kaikan in Tokio statt. Nach einer Orts
besichtigung beschlossen sie, daß die Aktion das die
sem spezifischen Ort entsprechende Ausdrucksmedium
wäre. Die Ausstellungen wurden jeweils speziell für die
extremen und völlig unterschiedlichen Orte, die sich die
Künstler ausgesucht hatten, konzipiert. Während Pollock
seine Aktion als geheimes Ritual auffaßte, das er allein in