machten, daß die New Yorker Künstler die Malerei zu neuen
Dimensionen geführt hatten - ein Prozeß, der ursprünglich in
Paris vorbereitet und entwickelt worden war. Mit der Basler
Ausstellung und der starken Präsenz auf der documenta II
(1959) hatte die Malerei der New Yorker Abstrakten Expres
sionisten, was ihren Einfluß sowohl auf die europäische Kunst
als auch auf den inneramerikanischen Kontext betrifft, einen
vorläufigen Höhepunkt erreicht. Vor allem Pollock und New-
man, jeder in seiner ganz spezifischen Form, hatten die neuen
Grundparameter des antizentristisoh subtil über die Bildfläche
hinausweisenden »all over«, die Verweigerung eines illusioni
stischen Bildaufbaus und vor allem die psychophysisch
wirkende Expansion der körperüberschreitenden Grundfläche
formuliert und damit die abstrakte Bildmalerei zu potentiellen
Endpunkten weiterentwickelt. Bei Pollock wird dieser Moment
der höchsten Zuspitzung, der ihn zum Mythos gemacht hat,
in den bis 1950/51 gemalten »drippings« und der darauf fol
genden Erschöpfung und Orientierungslosigkeit auch in
seiner ganzen persönlichen Tragik spürbar. Pollock besaß
nicht mehr die schöpferischen Möglichkeiten, um den von ihm
formulierten Kulminationspunkt der Malerei zu transzendieren
und daraus neue Lösungen zu entwickeln. Er konnte daher in
den letzten Monaten vor seinem Unfalltod nicht mehr malen,
seine Geste war eingefroren und es blieb einer nachkom
menden Künstlergeneration Vorbehalten, neue Lösungen und
Konsequenzen zu erarbeiten. Die große Leistung von Pollocks
späten Jahren war letztlich seine Weigerung, den magischen
Gestus der »drippings« durch starke Wiederholung zu kor
rumpieren.
Den Abstrakten Expressionisten war es in einer selbstbewuß
ten Reaktion auf die in Europa vor dem Zweiten Weltkrieg
vorbereiteten Positionen gelungen, gültige Parameter einer
neuen Avantgarde zu entwerfen. In einer Radikalisierung des
Surrealismus durch extreme Verkürzung auf das sich unmit
telbar ausdrückende Subjekt bot sich jener transformato-
rische Weg, der für die Kunst Türen in weite, noch unbekannte
Gebiete öffnen konnte. Dafür entscheidend war in der gesti-
schen Malerei der Abstrakten Expressionisten die Tendenz,
auf ein Territorium jenseits der Bildfläche zu verweisen. Vor
allem die Arbeiten Pollocks und Newmans besitzen diesen
substantiellen Gestus, der die Kunst in neue Dimensionen
geworfen, und dadurch starke internationale Wirkung gezeigt
und Neuerungen provoziert hat.
Noch in den fünfziger Jahren wurden in den USA zwei ent
sprechende Reaktionsstränge auf die dominante Position des
Abstrakten Expressionismus sichtbar. Unter den ersten
Künstlern, die in den USA den von Pollock vorgezeigten Weg
auch theoretisch reflektierten, war Allan Kaprow, der 1958,
zwei Jahre nach Pollocks Tod, in einem Essay mit dem Titel
»The Legacy of Jackson Pollock» eine aktuelle Bestands
aufnahme wagte und am Ende dieses Textes erstmals den
Begriff des »Happenings» oder »Events» als eine mögliche
Weiterentwicklung verkündete. Kaprow hatte damit das per-
formative Element ins Zentrum seiner Überlegungen gestellt
und so die Richtung der zukünftigen Entwicklung seiner Arbeit
fixiert. Im Gegensatz zu Kaprows Betonung des Perfor-
mativen konzentrierten sich Rauschenberg und Johns, eben
falls unmittelbar aus dieser Dynamik heraus, auf das
Auftauchen realer und leicht codierbarer Objekte in der Male
rei. Beide haben damit das Bild vom subjektivistischen
Erfahrungsspiel der gestischen Abstraktion auf eine struktu
relle Ebene gehoben, auf der ein Dialog zwischen Bildfläche
und Objekt stattfinden konnte. Dies hatte letztlich zur Folge,
daß in der amerikanischen Kunst - und sei sie auch noch so
performativ - das manifeste Objekt immer eine zentrale Rolle
spielte, sei es in Form unmittelbar vorhandener Objekte und
Materialien wie sie außer bei Rauschenberg ja andersartig
auch bei Kaprow verkommen, sei es in Form artifizieller
Objekte mit Fetischcharakter, wie beispielsweise in Olden
burgs performativer Arbeit The Store. Im Zentrum der ameri
kanischen Kunst dieser Zeit steht immer das Objekt, der
Mensch aber erstarrt wie bei Segal in zwar lebensgroßer, aber
dennoch distanzierter, artifiziell weißer Pose. Der existentielle
Aspekt des Körperlichen, die menschliche Tragödie und
Komödie wurde später bei Warhol oder Nauman durch einen
medialen Filter zur distanzierten Beobachtung freigegeben.
Nur Carolee Schneemanns Arbeit durchbrach das hier auftre
tende grundsätzliche Schema und blieb in der historischen
und kritischen Rezeption der Museen bis heute isoliert. Es war
der europäischen Kunst Vorbehalten, genährt von den Erleb
nissen und fürchterlichen Erfahrungen der unmittelbaren
Vergangenheit das Drama der menschlichen Existenz, das
anthropozentrische Element des Verlusts und des Wieder-
findens der Bedingungen des Subjekts mit allen Mitteln zu
thematisieren.
Zweifellos kann gesagt werden, daß die objektorientierte, in
ihrem Wesen standbildhafte Kunst etwa ab 1958/59 die ame
rikanische und in der Folge auch europäische Diskussion
dominierte. Der mediale Aspekt und der Erfolg der Pop-art
entwickelte sich parallel zur starken Expansion neuer mas
senmedialer Möglichkeiten und dem demonstrativen Verlust
der Notwendigkeit der Avantgarde in der postmodernen
Phase. Beinahe parallel zeigte sich aber in den USA auch eine
Entwicklung, die in ihrer Ablehnung jeglicher Sprache im