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nehmen. Die alte konzeptuelle Kategorie wird zu einem
Sprungbrett für den Start einer neuen und befreiten
Perspektive. Den Beweis dafür treten Takis’ Man in Space
(I960)' an, oder Kleins Leap in the Void (1960), Manzonis
Magic Base and World Pedestal (1961), Medallas/tsfro-aciv-
punture Man (1965)’, Paul Neagus Anthropocosmos (1969)'“,
Lygia Clarks Relational Objects (1964), Oiticicas Parangole
(1965) und viele andere.
Häufig war die Art, wie lebende Körper sich aus den
Protokollen des Skulpturalen und Theatralischen befreiten,
erfüllt von einem sanften Humor. Carlyle Reedy hat z. B. in
ihrem Werk aus den siebziger Jahre ein schelmisches
Verwechslungsspiel der Genres inszeniert, in dem skulpturale
und theatralische Zeitlichkeit aufeinandertrafen. Das zeigte
sich in Arbeiten wie Human Visual Sculpture in Contempla-
tive Time (1972) am Royal Court Theatre Upstairs, einem
der wenigen Londoner Schauplätze, die für Aufführungen ein
gerichtet wurden, die - ob aufrührerisch oder meditativ -
einige der grundlegenden Lehren des Theaters in Frage
stellten. Reedy arbeitete mit den vier Teilnehmern lange Zeit
vor der Aufführung. Sie fertigte für sie Körper-Säcke in den
»Farben von Krokussen im Frühling« an. Dias, die von
den Aufführenden in ihren Säcken von der Empore einer
leerstehenden Kirche aus aufgenommen worden waren,
wurden dann während der Performance auf ihre Körper
projiziert, so daß sie sich im Wechselspiel mit einem Bad
aus Farben und Licht bewegten, das ihr eigenes Bild form
te. Die Künstlerin begleitete die Übergänge mit Glocken,
Rasseln, Gongs und gelegentlichen verbalen Äußerungen.
Erwartungen an Drama und Schauspiel wurden zugunsten
Carlyle Reedy, Human Visual Sculpture in Contemptative Time
(Menschliche visuelle Skulptur in kontemplativer Zeit), 1972
von - wie Reedy es nannte - »visueller skulpturaler Lebens
zeit« enttäuscht: eine Art langsames Auftauchen in die
Gegenwart/das Dasein, analog zum Wachstum der Pflan
zen. Die Aufführenden bewegten sich in ihren Säcken und
legten sie nach und nach ab, sie nahmen innerhalb des
Theaters Positionen ein, wobei sie einzig von ihrer Intuition
geleitet wurden, um ein »authentisches, ohne Kunstgriffe
In-der-Aufführung-Sein« zu erreichen.’' Reedy setzte ihre
Arbeit zwischen verbaler Sprache (oft verwendete sie meh
rere Sprachen), Theater und visueller Kunst mit großer Sub-
tilität fort.
Obwohl ihre Werke damals nie miteinander verglichen wur
den, kann man heute sehen, daß Reedys Stück und die
Arbeiten von Bruce McLean den Versuch gemeinsam haben,
einen Begriff des Lebendigen vor den stereotypen Er
wartungen und sozialen Konventionen etablierter Kunst
formen zu retten. Sie gingen mit gegensätzlichen Mitteln vor.
Während Reedy ein nacktes, existentielles »Wesen« suchte,
nahm McLean in seiner eigenen Person alle Manierismen der
zeitgenössischen Kunstwelt auf, um sie lächerlich zu machen.
Pose Work for Piinths (1971) gibt die monumentale Rhetorik
der Skulptur scherzhaft dem lebenden menschlichen Wesen
zurück. Der Künstler, gekleidet in Schlaghosen und Pullover,
balanciert heroisch, lässig oder unbeholfen auf drei weißen
Sockeln. Dies könnte das Werk eines (sehr jungen) »Sohnes«
sein, der die »Väter'« verspottet. Es ist vielleicht charakteri
stisch für den britischen Geist, daß er ziemlich schnell von
dem Milieu absorbiert wird, das er kritisiert. Doch McLean
hatte ein ernsthaftes Anliegen. Seine Herausarbeitung der
»Pose« als Schlüsselsymbol der damaligen Zeit wurde in
8 ln der Galerie Iris Giert in Paris ließ Takis einen Mann mit Hilfe von
Magneten im Raum schweben; das war ein paar Monate, bevor
Yuri Gagarin als erster Mensch der Schwerkraft entkommen sollte.
Der Mann in Takis’ Vorführung war der Dichter Sinclair Beiles. Aus
dem Raum zitierte er sein Gedicht »Ich bin eine Skulptur«.
9 »Ich träume von dem Tag, an dem ich Skulpturen schaffen werde,
die atmen, schwitzen, husten, lachen, gähnen, grinsen, biinzein,
keuchen, tanzen, iaufen, krabbein... und sich zwischen den
Menschen wie Schatten bewegen...« In David Medalla,
Mmmmmmmm... Manifest, 1965, London 1995, S. 61.
10 Dieses Konzept beschreibt eine Serie waben- bzw. zellenförmiger
menschlicher Figuren, die entstanden, kurz nachdem der
Künstler von Rumänien nach London gezogen war. Eine
lebensgroße Skulptur bestand aus Waffeln und wurde 1961 bei
einem Partizipationsevent in der Sigi Krauss Galerie in London
von den Anwesenden gemeinsam aufgegessen.
11 Carlyle Reedy, »Human Visual Sculpture in Contemplative Time«,
unveröffentlichte Notizen, Abdruck mit freundlicher Genehmigung
der Künstlerin.