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(Survival in Alien Circumstances). Brisleys Aktion war mehr
als nur eine Kritik der benachbarten Verschwendung von
Geld und Arbeitskraft; er verglich die Ausgaben mit Ironie
und schien zu suggerieren, daß man die eigentliche lebens
bejahende Energie nur in seiner Grube finden könne.
In einem romantisch-symbolischen Akt grub Kerry Trengove
sich seinen Weg aus einem kleinen, abgeschlossenen Ort in
den Fundamenten der Galerie Acme in London (An Eight-Day
Passage, 1977). Er brauchte acht Tage, um ans Tageslicht ins
Zentrum eines ungeheuren Medienrummels zu gelangen.
Wieder lehnte ein Künstler die weißgetünchte Sauberkeit einer
Kunstgalerie zugunsten einer engen, unterirdischen Zelle mit
rauhen Wänden ab, wo man sah, wie er sich im Schein einer
Grubenlampe bewegte oder schlief. Die Bilder wurden durch
einen eigens installierten Fernsehmonitor für die Besucher in
die darübergelegenen Galerieräume übertragen, um einen
maximalen Kontrast zu erzielen. In diesem unerwarteten, sehr
wörtlichen Kampf des Künstlers - einer Person, die normaler
weise als ätherisch und extravagant angesehen wird -
versuchte dieser den selbstauferlegten Grenzen von Zeit
und Raum zu entfliehen. Trengove beabsichtigte eindeutig,
weitergehende Fragen über stereotype Verhaltensweisen
aufzuwerfen, über Kontrolle und Freiheit im allgemeinen, ein
Thema, zu dem er bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1991
noch oft zurückkehrte.
Gegen Mitte und Ende der Siebziger beschäftigte sich
Rasheed Araeen mit der schwierigen Frage, wie man sich
Rasheed Araeen, »Paki Bastard”
(»Pakistanischer Bastard«), 1979
selbst darstellt, wie man ein Selbstporträt erzeugt. Er verglich
seine Lebenssituation in Großbritannien zunehmend mit der
von Gastarbeitern aus Asien und Afrika, die ausgebeutet wur
den und denen eine politische und kulturelle Stimme versagt
war. Die Freiheit, die in seinen früheren abstrakten Werken
dargestellt wurde, schien ihm nun einen mythischen Raum
einzunehmen, der sich »verkehrt proportional zum realen
Raum am Boden der hierarchischen Pyramide« verhält.“
»Paki Bastard« (1979) war Araeens einziger Ausflug in die
Live-Performance, eine bewegende Erfahrung sowohl auf
grund der würdevollen Unbeholfenheit des Künstlers an
gesichts des Publikums wie auch wegen der sozialen
Wirklichkeiten, die er beschwor. Identität als Künstler, Identität
als Schwarzer, Identität als ausgebeuteter Arbeiter waren die
drei Themen, deren Wechselbeziehung in diesem Stück stän
dig in Frage gestellt wurden. Erneut tauchten im Szenario
Araeens minimalistische Structures aus den sechziger Jahren
auf, sie spielten eine Rolle als Teil der kritischen Polemik, doch
funktionierten sie im Kontrast dazu auch als Talisman künst
lerischer Forschung, der suggerierte, daß die ihm durch die
Umstände aufgezwungene »Identität« nur einen Teil seines
Menschseins darstellte.
Rose Finn-Kelceys Live-Performances der Siebziger und
frühen Achtziger sind eine faszinierende Reflexion über den
Begriff des Protagonisten. Alles ließe sich zum Teil im Rahmen
der Kategorien ihrer Suche nach einer angemessenen Stimme
für ihre Erfahrung als Künstlerin interpretieren, wo »die Zweifel
der Realisierung des Stücks gleichermaßen Substanz verleihen
wie die Gewißheiten«". Die ironische Infragestellung des
Mythos’ von der Meisterschaft führte sie zu einer Reihe einzig
artiger und poetischer Szenarios. In One for Sorrow, Two for
Joy (1976) verbrachte sie zwei Abende in einem Galeriefenster
43 Rasheed Araeen, »Paki Bastard«, in: Making Myself Visible,
London 1984, S. 114.
44 Catherine Elwes, »About Time«, in: Primary Sources, London,
Weihnachten 1980.