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Giuseppe Pinot Gallizio, Industrielle Malerei, 1958 
Galleria Martano, Turin 
der in den jeweiligen Diskursen auftauchen.^' Was natürlich 
nicht heißen soll, daß Kunst die einzige Tradition ist, die einen 
solchen Gedanken hervorbringen kann, aber sie ist der öffent 
lichste und sichtbarste Ausdruck eines Korpus von Ideen, die 
sich in Körperaktionen manifestieren. 
Ein Beispiel aus der jüngsten Kunstgeschichte kann diesen 
Punkt vielleicht illustrieren. Der Kunsthistoriker David Sum 
mers stellt an den Anfang seiner Arbeit über die westliche 
Darstellungstradition von Plato bis heute eine Definition der 
repraesentatio als »eine Konstruktion rund um das Verb .sein«< 
und er bringt repraesentatio mit «praesens“ in Verbindung, 
»...einer Partizipialform von praeesse, vor-sein' (im räumli 
chen wie im übertragenen Sinn)«.'^^ Am Ende seiner Argu 
mentation schlägt Summers eine »Verschiebung des Schwer 
punkts« in der Kunstgeschichte und Interpretation vor, weg 
von der Darstellung und ihren Tropen wie »»Realismus« und 
»Weltanschauung« und »Ideologie«, hin zu Konstruktionen 
gewöhnlicher menschlicher Körperlichkeit und privater, sozia 
ler und politischer Räume, unserer eigenen wie auch der der 
anderen««.“ Trotz dieses Vorschlags diskutiert weder Sum 
mers noch irgendein anderer der einundzwanzig eminenten 
Gelehrten, die Critical Terms forArt History zusammengetra 
gen haben - ansonsten ein in jeder Hinsicht herausragendes 
Buch - das Phänomen Performance oder erwähnt irgendei 
nen Künstler oder eine Künstlerin, der oder die mit dem 
Körper als ästhetischem Medium arbeitet, mit Ausnahme von 
Yvonne Rainer, die als »»feministische Regisseurin««^'' ausge 
wiesen wird. Dieser Ausschluß hat zur Folge, daß der Beitrag, 
den die Künstler selbst zur zeitgenössischen Kunst und zur 
kritischen Theorie leisten, indem sie den radikalen Übergang 
von konventionellen künstlerischen zu personifizierten 
Darstellungen inszenieren, nicht gebührend gewürdigt wird. 
52 David Summers, »»Representation««, in: Critical Terms for Art 
History, hrsg. von Robert S. Nelson und Richard Shiff, Chicago - 
London 1996, S. 6. 
Eine solche Lücke ist umso ärgerlicher, als der Band einen 
ganzen Abschnitt über »»soziale Beziehungen« enthält, von 
dem man zumindest eine Erörterung der Künstleraktionen 
erwartet hätte. Insbesondere in den Kapiteln über »Ritual«« und 
»Gender«« fehlen seltsamerweise sowohl feministische 
Performances als auch feministische Diskurse, deren wich 
tigster Beitrag zur Geschichte der Kunst doch nachweislich 
im Bereich der Aktionskunst liegt, ein Gebiet, auf dem Frauen 
seit den Sechzigern nicht nur einige der stärksten und wir 
kungsvollsten Werke geschaffen haben, sondern von dem 
mit Recht behauptet werden kann, daß es - nach 1970 - 
vorwiegend von Frauen definiert wurde. 
Diese Beispiele lassen erkennen, wie stark die Diskurse über 
Aktionskunst zwar in der Kunstgeschichte verankert sind, wie 
sehr die eigentliche Praxis vom Kanon aber häufig ignoriert 
wird. Eine 1994 von den Herausgebern der Zeitschrift October 
53 ibid., S. 16. 
54 Margaret Olin, »»Gaze«, in: Critical Terms forArt History, S. 216. 
Giuseppe Pinot Gallizio, Versteigerung von Teilen der Industriellen Malerei, April 1959, 
Galerie Van de Loo, München
	        
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