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Shigeko Kubota. Vagina Painting
(Vaginalmalerei),
Perpetuai Fiuxus Festival,
New York, 4. Juli 1965
Kubota zum Beispiel erinnert sich, daß ihre Fluxus-Freunde
und -Kollegen Vagina Painting gehaßt hatten, eine Perfor
mance, die sie am 4. Juli 1965 aufführte, als sie genau ein Jahr
in New York lebte.'^® Bei dieser Arbeit legte Kubota einen
Bogen Papier auf den Boden, hockte sich darüber und
begann, mit einem Pinsel, den sie zuvor an ihrer Unterhose
befestigt hatte, zu malen. Sie tauchte den Pinsel in tote Farbe,
bewegte ihn über das Papier und erzeugte so ein eloquentes,
gestisches Bild, das Action painting nach den Codes der
weiblichen Anatomie neu definierte, weibliche Geschlechts
merkmale und Körperfunktionen übertrieben darstellte - und
zudem komisch war! Der direkte Verweis auf den Menstru
ationszyklus scheint das Kontinuum von Fortpflanzung/
Schöpfung, das im Inneren der Frau verborgen ist, mit den
zeitlichen Zyklen von Veränderung und Wachstum zu verglei
chen, die Kubota in ihrer eigenen Kunst und in ihrem Leben
erfahren hatte, nachdem sie von Japan in die USA gezogen
war. Ihre künstlerische Nachkommenschaft erschließt sich
125 Kubota in einem Telefongespräch mit der Autorin, 12. Juni 1991;
und Yoko Ono in ibid.
126 Eiaine Scarry (wie Anm. 4), S. 117. Kubota hat ihren Diskurs des
sozialen und biologischen Geschlechts in ihrer nächsten
Videoinstallation fortgeführt. in Video Poem (1968-1976) steckte
Kubota einen 19-Zoll-Monitor, auf dem ein farbsynthetisiertes
Ein-Kanal-Tape mit einem Selbstporträt von ihr lief, in eine
Nylontasche mit Reißverschluß und schuf damit eine skulpturale
Form, die dem Vaginalbereich ähnelte. Ein Vagina Painting reflek
tierendes Gedicht zu dieser Arbeit erscheint als Video Poem
(1968-1969) in »Duchampiana«, in: Tracks: A Journal ofArtists'
Writings, 3, 3, Herbst 1977, S. 63; und in: Mary Jane Jacob
(Hrsg.), Shigeko Kubota: Video Sculpture, New York 1991, S. 18.
127 Historisch auf die passive Rolle der mythischen »Muse« reduziert,
diente das Weibliche in der westlichen Kultur bislang als kreative
aus dem Aktionstext des metaphorischen Bluts, durch den sie
das immaterielle, kreative, biologische Zentrum der Frau
objektiviert; in dem konkreten Bild legt es Zeugnis von ihrer
künstlerischen Kraft ab. »Eine materielle Form zu haben«,
schrieb Eiaine Scarry, »bedeutet, eine selbst-schöpfende
Form zu haben.Obwohl es vielleicht gar nicht in ihrer
Absicht lag, thematisierte Kubota mit Vagina Painting die
Diskriminierung der Frau als weibliche Muse.'^' Ihre Aktion ist
eine Selbstbehauptung der Frau als Quelle ihrer eigenen
künstlerischen Inspiration, als das Geschlecht, das sowohl
echtes Leben als auch Darstellungsformen hervorbringen
kann.'28 Kubotas Event postuliert überdies den weiblichen
Körper als Nexus, als materielle Synthese von Kunst und
Leben. Obwohl Kubota nicht an DIAS teilnahm, handelte es
sich bei ihrer Arbeit genau um die Art von Frauenaktion, die
Metzger gerne in DIAS miteinbezogen hätte.
Zwei weitere Künstler, die an DIAS teilnahmen, waren Mark
Boyle und Joan Hills. Ihr Interesse an der Destruktionskunst
Inspiration für den Mann; es war dazu da, seine Phantasie anzu
regen und seinen Sexualtrieb in produktive Kanäle umzulenken,
damit er sein Seelenheil in der Schöpfung von Musik, Poesie und
bildender Kunst finden konnte. Die Besessenheit der männlichen
Surrealisten von der Muse ist legendär. In einer Studie darüber,
wie Künstlerinnen benutzt wurden, »um dem [männlichen] Künst
ler das gesamte psychosexuelle Feld menschlicher Erfahrungen
zugänglich zu machen«, bemerkt Whitney Chadwick, daß »die
Muse, unerschöpflicher Quell kreativer Ehergie und Verkörperung
des weiblichen Anderen, eine rein männliche Erfindung ist«.
Whitney Chadwick, Women Artists and the Surrealist Movement,
Boston 1985, S. 66.
128 In interlor Scroll (1975) konkretisierte Carolee Schneemann die in
Kubotas Vagina Painting angedeutete metaphorische Verbindung
zwischen Fortpflanzung und Schöpfung. Siehe Carolee
Schneemann (wie Anm. 25), S. 234-239.