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Picture«, die Art News 1949 startete, und in der Künstler - fast 
ausschließlich männliche-»beim Malen eines Biides« gezeigt 
wurden. Und seibst wenn einmal eine Frau dargestellt wurde, 
die »ein Bild malen« konnte, so stand die Vaterschaft der 
männlichen Künstler bereits außer Frage. Schor schreibt: 
»Arbeiten von Frauen, deren Vater festgeschrieben und deren 
Werk gefahrlos in den Kunstdiskurs assimiliert werden kann, 
sind privilegiert, und es wird jede Anstrengung unternommen, 
diese patrilineare Erbfolge zu sichern.«^''^ 
Georges Mathieu war der erste Künstler, der, als er die 
Bedeutung von Namuths Photos erkannte, >live action pain- 
tings< als Gegenstand der Photographie und Performances 
vor Publikum aufführte. Am 19. Januar 1952 ließ er sich in sei 
nem Atelier photographieren, während er Hommage au 
Marechal de Turenne malte, ein Bild, das er seiner »Zen«- 
Periode zuschrieb und das sich in seinem Stil an dem von 
Mathieu bewunderten, deutschen gestischen Maler Plans 
Plartung orientierte. Das Konzept für painting a picture for the 
Camera entstand eindeutig aus Mathieus tiefer Bewunderung 
für Pollock, den er für den größten lebenden Maler hielt und 
dem er begierig nacheiferte. Als Pollocks Nachkomme - oder 
genauer gesagt als Sohn von Namuths Pollock-Photo 
graphien - erkannte Mathieu die kraftvolle potentielle 
Verbindung zwischen Malerei, Photographie, Performance 
und der Öffentlichkeit. Das Photo als Kommissur transpor 
tierte den Inhalt der Malerei und den Prozeß der Performance 
an die Öffentlichkeit. Mathieu war der erste, der diese 
Verbindung herstellte. 
Es bestand jedoch ein bedeutender und bizarrer Unterschied 
zwischen den dramatischen Bildern von Pollock, der in ver 
wischten Bewegungen über ein farbbespritztes »Feld« 
schwebte oder sprang, und den Bildern des halbnackten 
Mathieu, der mit entblößter Brust und ein lendenschurzartiges 
Tuch um die Plüften geschlungen, das kaum bis zu den Knien 
reichte, in Socken und Schuhen ein Bild malt, das an der 
Wand hängt und nicht auf dem Boden liegt. Als Mathieu 1952 
diese Photos von sich zum ersten Mal sah, muß ihm klar 
geworden sein, wie seltsam sie ausschauten, denn zwei Jahre 
später, am 25. April 1954, als Robert Deschames ihn während 
des Salon de Mai in Paris dabei filmte, wie er die Bataille de 
Bouvines malte (eine französische Schlacht im 13. Jahr 
hundert, an der einer seiner Vorfahren teilgenommen hatte), 
147 Ibid. 
trug Mathieu ein eindrucksvolles Kostüm, die Reinkamation 
einer mittelalterlichen Militärkluft: schwarze Seidenhose und 
Jacke, weißer Plelm und Beinschienen, die mit weißen 
Kreuzriemen am Schienbein befestigt waren. Obwohl Mathieu 
nun ein männliches militarisiertes Thema malte, gelang es den 
Photos nicht, ihn als die Quintessenz eines Patriarchen abzu 
bilden. Vielmehr wirkte er faszinierend androgyn. 
In Bataille de Bouvines führte Mathieu genau so lange, wie die 
legendäre Schlacht gedauert hat, eine körperliche 
Inszenierung des historisches Dramas in Farbe auf. 
»Geschwindigkeit, Intuition, Spannung« waren die »Metho 
den«, die ihn antrieben. Seine Aktion suggerierte Analogien 
zwischen künstlerischer Innovation, historischer Schlacht und 
dem Verhältnis zwischen politischer und ästhetischer Ver 
änderung. In erster Linie jedoch zeigen die Photos einen 
Mann, der sein Medium völlig beherrscht und der in der Lage 
ist, Harold Rosenbergs Theorie umzusetzen, der zufolge die 
Leinwand zur »Arena« für ein Event geworden ist, zur 
»Begegnung« zwischen Künstler und Material, wenn nicht 
sogar der Geschichte und ihrer Schlachten.'''® 
Ein Jahr später, im Februar 1955, als Art News »Mathieu 
Paints a Picture«' brachte, löste der Artikel in den USA eine 
Welle sarkastischer und feindlicher Leserbriefe aus: 
Heutzutage, wo die Avantgarde-Malerei so anfällig ist für 
Vorwürfe der Scharlatanerie und des Betrugs, war es [mir] 
ein ganz besonderes Vergnügen, in dem Artikel über 
Mathieu die persönliche und genaue Schilderung eines so 
komplizierten und kreativen Prozesses zu lesen. Welch ein 
brillantes Konzept - eine ganze Schlacht in Farbe wieder 
auszuspeien. Aber man fragt sich - war es wirklich Farbe? 
Sind nicht einige der Pferde (ihren profanen Nöten hilflos 
ausgeliefert) zu lange herumgestanden?'''® 
So störend der Vergleich der Farbe auf Mathieus Leinwand 
mit Pferdemist auch gewesen sein mag, so war er lange nicht 
so beleidigend wie die Kommentare des hochgeschätzten 
abstrakt-expressionistischen Malers Clyfford Still: 
Ist Art News wirklich schon so verzweifelt, daß es seine 
Seiten dem Zynismus und den Lügen eines Mathieu-Por- 
träts widmen muß, oder gehört es inzwischen einfach zu 
seinem Lebensstil, in journalistischen Kloaken auf der 
Suche nach seiner Ethik und ihren Performern herumzu 
wühlen? Ich erröte vor Scham, wie sie wohl alle Künstler 
148 Harold Rosenberg, »The Action Painters«, in: Art News, 51,8, 
Dezember 1952, S. 22-23, 48-50. 
149 Dieses und alle späteren Zitate aus »Editor's letters« sind nach 
zulesen in Art News, März 1955.
	        
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