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angefertigt worden waren. Dieses hatte er rot angemalt und vor
der Reihe totenmaskenartiger Skulpturen plaziert. Unmittelbar
nach seiner Ausstellung »Exposures« setzte der Künstler seine
eigene Todesanzeige in die lokale Zeitung. Später druckte er die
Anzeige nach und klebte sie auf farbiges Papier, auf große
Sperrholz-Werbeflächen, schrieb sie in Leuchtstoffröhren (die
im Rhythmus seines Herzschlags blau blinkten), und stickte sie
auf ein Satin-Parochefh (den Vorhang, der den Schrein verhüllt,
in dem in einer Synagoge die Thorarolle aufbewahrt wird).
Indem er das Beziehungsgeflecht zwischen dem Realen, dem
Dokumentarischen, dem Fiktiven und dem Künstlichen ent
wirrte, erforschte Gechtman die unendlichen Möglichkeiten, mit
denen Leben und Tod in den unterschiedlichen Institutionen
und Praktiken von Wissen und Sein simuliert werden, Simu
lationen, die dem Leben selbst ein Mausoleum errichten. Und
schließlich liefern »Exposures« und Mausoleum eine tiefgrün
dige Betrachtung des Stellenwerts des Todes In der jüdischen
Geschichte sowie des Todesersatzes in der postmodernen
Gesellschaft. Gechtmans Kunst ist insofern kosmoramisch, als
sie das Reale ausstellt und erleuchtet, indem sie es anderswo
reproduziert.
209 James D. Paffrath mit Stelarc, Obsolete
Body/Suspensions/Stelarc, Davis, Kalifornien, 1983, S. 8.
Stelarc, Street Suspension (Straßenaufhängung),
Mo David Gallery, New York, 21. Juli 1984
Stelarc, MIcrofilm Image ofthe Inside of My Stomach (Microfilm-Bild meines
Mageninneren), Yaesu Centre, Tokio, 1973
Parallel dazu könnte man Stelarcs Kunst als kosmographisch
bezeichnen. 1972 machte Stelarc (alias Stelios Arcadiou)
Farbvideoaufnahmen vom Inneren seines Magens, seiner
Eingeweide und seiner Lunge. Dafür schluckte er eine tele-
metrische Kapsel, in der sich eine Kamera befand. Vor der
Prozedur bekam Stelarc eine Spritze, die verhindern sollte,
daß sein Magen den Fremdkörper abstößt; außerdem wurde
seine Kehle örtlich betäubt, um das Schlucken zu erleichtern.
Stelarcs erste erfolgreiche »stretched skin Suspension« -
Aktionen, bei denen er sich an seiner Haut aufhängen ließ -
fand 1976 in Tokio statt. Dafür wurden dem Künstler enorme
Fisch- oder Fleischerhaken durch die Haut gezogen, an
denen Seile und Rollen befestigt waren, mit deren Hilfe sein
Körper hochgehievt und freischwebend aufgehängt wurde.
Solche rudimentären Experimente waren der erste Schritt hin
zu seinem Ziel, einen post-biologischen menschlichen Körper
zu erschaffen und genauere Nachforschungen über künstli
che Intelligenz und Maschinenmenschen anzustellen. Stelarc
argumentierte, angesichts der Inkompatibilität der komplexen,
skelettartigen, muskulösen Struktur der menschlichen Ana
tomie mit der vom Menschen geschaffenen Informations- und
Technologieumgebung, habe die elektronische Technologie
den Körper, »The Body«, intellektuell und physisch obsolet
gemacht. Dem Vorwurf des »Masochismus« hielt der Künstler
entgegen: »Dieses ständige Gerede von Masochismus im
Zusammenhang mit meiner Arbeit entbehrt jegiicher Grund
lage. Meine Events beschäftigen sich mit dem Überschreiten
normaler menschlicher Parameter, einschließlich Schmerz -
um ein Konzept von allgemeiner Wichtigkeit darzulegen.<4“