43
Daniel Spoerri, Le Coin du Restaurant Spoerri
(Die Ecke des Restaurant Spoerri), ca. 1968
Augenblick festhielten, ein »Portrait« des Individuums, das ein
Essen zu sich genommen hatte. Die Identität der Gäste und
der Umstände, unter denen gegessen worden war, wurden
zu einem sich entwickelnden Aspekt der Fallen und bekun
deten Spoerris Interesse am Phänomen der Berühmtheit. Im
März 1963 eröffnete Spoerri in Paris für zwölf Tage seine
Restaurantgalerie J; die darauffolgende Ausstellung zeigte 723
Küchenutensilien. Die Einladung in das Restaurant und zur
anschließenden Ausstellung enthielt folgende Information
des Künstlers: »Die gastronomischen Aktivitäten von -Chef
Daniel' Spoerri haben eine direkte ästhetische Konsequenz
(innerhalb der Reinheit der orthodoxesten Traditionen des
Nouveau Reaiisme) und werden zu Arbeiten führen, zu deren
Besichtigung das Publikum am Tag nach der Schließung des
Restaurants, am 14. März um 5 Uhr Nachmittags eingeladen
ist.« Obwohl Spoerri tatsächlich einmal ein Restaurant betrie
ben hatte, stand dieses eher in Zusammenhang mit seinen
Fallenbildern. Unter den Kellnern waren Berühmtheiten der
Kunstwelt wie Restany und der Dichter John Ashbury. Im
Restaurant selbst führte Spoerri stolz Gerichte wie Kunstwerke
vor, ohne daß diese Teil von Assemblagen gewesen wären,
und er legte Wert darauf, daß der Geschmacksinn zu den visu
ellen und taktilen Dimensionen der ausgestellten Werke hin
zukam.
Im Juni 1968 gründete Spoerri in Düsseldorf das Restaurant
Spoerri, das sehr erfolgreich war. In diesem Restaurant bot er
reguläre Gerichte wie Steaks an, aber auch Spezialitäten wie
Omelett mit gerösteten Termiten, Hühnerembryos, Bärentat
zen, Klapperschlangenragout, in Scheiben geschnittene Ele-
phantenrüssel und anderes mehr. Schließlich nahm Spoerri
seinen Teil des Restaurants und verlagerte es von Düsseldorf
nach Mailand, wo er für jedes Sternzeichen ein bestimmtes
Gericht zubereitete; sechzehn Gäste nahmen Gerichte zu sich,
die ihren Sternzeichen entsprachen. Die letzten Reste von
Restaurant und Dinner-Performance trugen den Titel Le Coin
du Restaurant Spoerri. Der Künstler hatte Leben in Kunst ver
wandelt.
Robert Rauschenberg war ein weiterer Künstler, der die Be
ziehung zwischen Kunst und Leben durch den Akt der Per
formance neu definieren wollte. Rauschenberg begann mit
seinen Untersuchungen zur Funktion dieses Aktes bei der
Kreation eines Objekts in den fünfziger Jahren. Zu diesen
Arbeiten gehörten die Blaupausen, zum Beispiel Fernab Figure
(ca. 1950), die er mit Weil herstellte, indem er die Umrisse
von Menschen und Objekten auf lichtempfindliches Blau
pausenpapier druckte. Ein anderes Werk, bei dem Rau
schenberg die bleibenden Spuren einer Aktion einfing, war
Automobile Tire Print (1953), bei dem er einen sechs Meter
langen Streifen Papier, der aus zwanzig verschiedenen
Bögen bestand, auf die Straße vor seinem Atelier legte. Dann
forderte er Gage auf, mit dem mit Tinte überzogenen Hinter
reifen seines Model A Fords über den ganzen Streifen zu fah
ren. Der daraus resultierende Abdruck war das visuelle Äqui
valent des einzigen, gleichbleibenden Tons, aber auch ein