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Robert Rauschenberg (mit John Gage), Automobile Tire Print
(Autoreifenabdruck), 1953. Sammlung des Künstlers
wichtiger Vorläufer für die Handhabung der Linie durch
andere Künstler wie zum Beispiel Piero Manzoni, James Lee
Byars und Nam June Paik.
Rauschenbergs Interesse an der Erforschung des performa-
tiven Akts zeigt sich auch in seiner Teilnahme an der Perfor
mance von Johns, Saint Phalle und Tinguely im Jahre 1961
im Theatre de l’Ambassade des Etats-Unis in Paris. Im Ge
gensatz zu Mathieu bemalte Rauschenberg die Leinwand, der
er den Titel First Time Painting gab, mit der Rückseite zum
Publikum, das das fertige Bild nie sah. Das Bild war fertig, als
ein daran befestigter Wecker zu klingeln begann (auf dieses
Signal hin verpackte Rauschenberg das Bild in Papier und über
gab es einem Hotelpagen aus dem Hotel du Pont Royal, in
dem er wohnte). Mit dieser Geste wies er darauf hin, daß der
Akt des Malens wichtiger war als das, was er malte - eine In
terpretation, die noch durch den Einsatz des Weckers in die
ser Arbeit unterstrichen wurde. Second Time Painting, das er
ein Jahr später schuf, war ebenso mit einer tickenden Uhr
versehen. Außerdem setzte er in den meisten seiner großen
Arbeiten von Mitte bis Ende der sechziger Jahre Klang-, Bewe-
gungs- und lichtempfindliche Apparate ein. Die technologisch
komplexesten dieser Arbeiten wurden mit der Hilfe von Billy
Klüver geschaffen, einem Elektroingenieur der Firma Bell
Systems, der mit Tinguely an Homage to New York gearbeitet
hatte und auch anderen Künstlern bei der Verwendung tech
nischer Mittel behilflich gewesen war.
Zur gleichen Zeit, als Rauschenberg diese Arbeiten schuf,
wuchs auch sein Interesse an der Performance. Am 4. Mai
1962 nahm er an einer weiteren Performance mit Saint Phalle
und Tinguely teil, dem fünfzehnminütigen Theaterstück des
Dichters Kenneth Cox mit dem Titel The Construction of
Boston, das im New Yorker Maidman Playhouse gezeigt
wurde. Bei dieser Aufführung zeichnete Rauschenbeng fürdie
Ausstattung und die Lichtregie verantwortlich, er war gleich
zeitig Stage Manager und Performer. In letzterer Funktion
bediente er eine von Tinguely hergestellte Maschine, die
Kugeln über die Zuschauer und Regen über die Performer
ergoß; Saint Phalle führte einen ihrer tirs vor, indem sie auf
eine Statue der Venus von Milo schoß, die zu bluten schien;
Tinguely errichtete eine Mauer zwischen den Performern
und den Zuschauern. Diese Zusammenarbeit öffnete den
Bereich der Performance erneut für das kreative und phan
tasievolle Spiel.
Rauschenberg hatte seit 1945 für Cunningham Ausstattun
gen, Kostüme und Licht gemacht. Abi 963 regte ihn sein Inter
esse an der Performance-Kunst dazu an, ein eigenes Werk
mit dem Titel Pelican zu choreographieren; es war die erste