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Chris Bürden, Shoot (Der Schuß),
19. November 1971, F Space
die tiefgründigeren oder ausgedehnteren Arbeiten anderer Kün
stler seiner Generation. Seine Präsenz in den Medien wirkte
sich bald nicht nur auf die europäischen Zentren und die Kunst
szene in New York aus, sondern auch auf die Performance
kunst in Osteuropa, Südamerika und Japan. Seine sensatio
nellen Aktionen gingen zumeist weit über alle Erwartungen der
Kritiker und der allgemeinen Öffentlichkeit hinaus. Im Rahmen
von fünf Jahren ließ sich Bürden beispielsweise anschießen,
mit elektrischen Schlägen traktieren, aufspießen, aufschnei
den, ertränken, einsperren und isolieren - all das nicht um eines
großartigen politischen oder religiösen Statements oder einer
tiefenpsychologischen Bedeutung willen, sondern einfach, weil
er wußte, daß er es tun konnte. Diese risikoreichen Handlun
gen legten nicht nur Burdens Psyche, sondern auch die sei
nes Publikums offen.
Die simple Anschaulichkeit von Burdens Events führte viel
fach dazu, daß Leute behaupteten, sie hätten diese miterlebt.
So sind einige Leute nicht davon abzubringen, daß sie gese
hen haben, wie in Trans-Fixed (1974) ein VW-Käfer mit dem
auf das Heck des Wagens gekreuzigten Künstler in Venice,
Kalifornien, umherfuhr. Bürden selbst gibt jedoch an, daß ihn
in Wirklichkeit nur eine Handvoll von Zeugen zwei Minuten lang
gesehen haben können, als der Wagen in die Garage zurück
geschoben und gerollt, nicht gefahren, wurde. Bürden erfand
und gestaltete seine Aktionen als knappbemessene Experi
mente, deren Bedeutung er ausloten, formulieren und definieren