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Chris Bunten, The Big Wheel (Das große Rad), 1979. The Museum of Contemporary Art, Los Angeles, Geschenk der Lannan Foundation
konnte - für sich selbst und andere. So fragte er z. B.: »Woher
weißt du, wie es ist, angeschossen zu werden, wenn du noch
nie angeschossen worden bist?«” Seiner Aussage nach ver
mittelten ihm diese Experimente ein »Wissen, das andere Leute
nicht haben, eine Art Weisheit« durch eine neuartige Begeg
nung mit den Fakten.™ Trotz aller Belege, die der Künstler der
Nachwelt in Form von Photographien und Objekten hinterließ,
fühlten sich viele Leute, die von seinen Performances erfuh
ren, bemüßigt, diese zu erklären. Wie bei Schwarzkogler und
seinen Selbstkastrations-Events wurden solche Fehlinterpre
tationen schließlich zu einem Teil der Mythologie, die die extre
men, prozeßhaften und selbstzerstörerischen Aktionen vieler
Künstler in den siebziger Jahren umgab.
Burdens Meisterstück The Big Wheel (1979) bestand aus einem
2700 kg schweren gußeisernen Schwungrad von etwa 2,5 m
Durchmesser, das aufrecht auf eine Fialtevorrichtung montiert
war. Vor dem Schwungrad wurde ein Motorrad so fixiert, daß,
wenn das Motorrad gestartet wurde, das sich drehende Flin-
terrad seine Energie direkt auf die Masse des Schwungrads
übertrug. Da das Schwungrad in der Lage war, die Energie zu
77 Chris Bürden in: Paul Schimmel, »Justthe Facts«, in:
Chris Bürden: A Twenty-Year Survey, Ausst.-Kat., Newport
Flarbor Art Museum, Newport Beach 1988, S.17.
speichern, drehte es sich auch nach Abstellen des Motors noch
lange weiter. Dieser Prozeß wird dem Publikum viermal am
Tag vorgeführt, wobei der Fahrer/die Fahrerin jedesmal das
Drehmoment, das normalerweise ihn/sie selbst und das
Motorrad nach vorne katapultieren müßte, auf das massiv-ele
gante Schwungrad überträgt. Dieses Werk, das ein physika
lisches Grundprinzip demonstriert, scheint in seiner präzisen
Einfachheit eine Bedrohung für alle Beteiligten darzustelien -
für den Vorführer des Motorrads, den Betrachter, und die In
stitution, in der es ausgestellt ist, die allesamt zu Komplizen
des pseudowissenschaftlichen Experiments eines Maschi
nenbauers werden. Wie auch Burdens Aktionen, ist es auf eine
zugleich faszinierende und erschreckende Weise schön. Der
Künstler wandelte ein physikalisches Prinzip, das sogar ein
Kind begreifen würde, in eine monumentale Plastik um, die
dem Betrachter ein verunsichertes Lächeln abringt. Wie Vito
Acconci, Rebecca Horn, Paul McCarthy und andere Perfor
mance-Künstler dieser Zeit wandte sich auch Bürden allmählich
von der Performance ab und der Skulptur und Installation zu.
Doch auch nachdem er die direkte Beteiligung des Künstlers
78 Ibid.. S.18.