MAK

Volltext: Das österreichische Bauwesen

Prüfwesen der Baumaterialien. 
Von Ing. D r. Wi 1 h e! m E x n e r, Präsident des Technischen Versuchsamtes. 
Einer Erörterung der Leistungen in den ver 
schiedenen Zweigen des Bauwesens in einem Lande 
muß vernünftigerweise eine Besprechung der Bau 
stoffe vorangehen, deren Vorräte und Eigenschaften 
die Grundlage aller Bautätigkeit bilden. Auch das 
verkleinerte Österreich kann als „holz- und stein 
reich“ bezeichnet werden und bedarf keines Im 
portes an natürlichen und künstlichen Baustoffen und 
Bindemitteln. Auf diesem Gebiete ist also die Han 
delsbilanz unseres Landes auch heute noch aktiv und 
wird es immer bleiben, wenn nicht grobe Fehler und 
Vernachlässigungen verkommen. 
Neben der Feststellung der vorhandenen Mengen 
und Arten natürlicher Baustoffe, neben der Übersicht 
über die Erzeugung der künstlichen Baustoffe, die 
alle Bedarfsfälle des Bauwesens mit inländischen 
Produkten decken, ist entscheidend für die Lösung 
aller bautechnischen Aufgaben die genaue Kenntnis 
der Eigenschaften der Baustoffe in Beziehung auf 
die ihnen zugemuteten Verwendungen. Diese Beob 
achtungen und Ermittlungen fallen in das Gebiet des 
Versuchswesens, in welchem gerade die Unter 
suchung der Baustoffe einen der ältesten Zweige des 
technischen Untersuchungs-, Erprobungs- und Ma 
terialprüfungswesens bildet. Ohne ein ausgereiftes 
technisches Versuchswesen für die Baustoffe ist 
heute das Bauingenieurwesen und die Baupraxis in 
Frage gestellt und könnte im Vergleiche mit dem 
deutschen und schweizerischen Bauwesen nicht 
mehr als ebenbürtig bezeichnet werden. 
Ich bin in der glücklichen Lage festzustellen, daß 
Österreich über alle jene Institutionen verfügt, deren 
es bedarf, um jede Frage über die Qualität der ver 
schiedensten Baumaterialien in ihrer verschieden 
sten Verwendung sachgemäß und zutreffend zu be 
antworten. 
Die Entwicklung des Baumaterialien-Versuchs- 
wesens war eine schrittweise und macht den Ein 
druck der Zersplitterung, die aber nach meinen Beob 
achtungen der Gesamtleistung nicht zum Schaden 
gereicht. Im Bildungswesen, sei es Forschung oder 
Lehre, ist die Zentralisation in Mammut-Instituten 
nicht immer der beste Weg zur Vertiefung und Ver 
breitung der verschiedenen Zweige der Mission. 
Im folgenden gebe ich eine ungeschminkte Auf 
zählung und Besprechung unserer Einrichtungen, die 
der Erforschung, Erprobung und Verwendung der 
Baustoffe dienen. 
Unter den für das Bauwesen wichtigen For 
schungsstätten darf die mineralogisch-petro- 
graphische Abteilung des Naturhistorischen 
Museums nicht unerwähnt bleiben. Es ist dies 
die älteste der Sammlungen des Naturhistorischen 
Museums, zu der Kaiser Franz, der Gemahl Maria 
I'heresias, im Jahre 1748 durch Erwerbung einer 
großen Mineraliensammlung den Grundstein legte. 
Um die Wende des 18. Jahrhunderts waren im 
kaiserlichen Naturalienkabinett bereits Sammlungen 
aller naturwissenschaftlichen Disziplinen vorhan 
den, die bis zur Übersiedlung in das neue Gebäude 
des Museums in den Jahren um 1885 sehr unter 
Raummangel zu leiden hatten, weil das Material un 
geheuer anwuchs. Die mineralogisch-petrographische 
Abteilung steht unter Leitung des Dozenten Doktor 
H. Michel. Neben der systematischen und topo 
graphischen Aufsammlung von Material und Ge 
steinen werden besonders die Sammlungen von 
Rohstoffen für alle Zweige industrieller und gewerb 
licher Betätigung gepflegt. In erster Linie sind die 
Sammlungen von Bergwerksprodukten mit beson 
derer Berücksichtigung der im Gebiete der ehemali 
gen Monarchie gelegenen Vorkommen zu erwähnen, 
die sowohl nach örtlichen Gesichtspunkten (einzelne 
Bergbaue samt Nebengesteinen und Hüttenproduk 
ten) als auch nach chemischen Gesichtspunkten 
(Erze, aus denen bestimmte Metalle gewonnen wer 
den) geordnet sind. Ebenso reich sind die Rohstoffe 
für chemische und keramische Industrie vertreten 
und besonders bekannt ist die große Baumaterialien 
sammlung, die wohl das umfangreichste Vergleichs 
material enthält. Die Abteilung ist somit in der Lage, 
in allen Fragen dieser Gebiete beratend zu wirken 
und wird vielfach in dieser Hinsicht in Anspruch ge 
nommen. In der beratenden Tätigkeit kommt der 
große volkswirtschaftliche Nutzen wissenschaft 
licher Betätigung auch unmittelbar zum Ausdruck. 
Jeder Fortschritt in den Untersuchungsanstalten ist 
geeignet, unsere Kenntnis von dem Rohmaterial zu 
vertiefen, den Produktionsprozeß in allen Stadien 
oft weitgehend zu beeinflussen, und so setzt sich hier 
auf dem kürzesten Wege der rein wissenschaftliche 
Fortschritt in technische Fortschritte um. So wer 
den Baumaterialien neben der mechanischen Prüfung 
auch mineralogisch-petrographisch untersucht, um 
sie rationell ausnützen zu können. Besonders bei 
der Erschließung neuer Vorkommen vermag die Be 
ratung oft große wirtschaftliche Schäden durch Ver 
schwendung von Mitteln am Unrechten Ort oder zu 
planlosem Probieren hintanzuhalten. 
Die Geologische Bundesanstalt 
wurde im Jahre 1849 durch kaiserliche Entschließung 
als erstes Institut dieses Charakters auf dem Kon 
tinent gegründet und hat ununterbrochen bis heute 
ihre Aufgaben, die ihr von Anbeginn an gestellt 
waren, gelöst. Diese sind die geologischen Auf 
nahmen und die Herausgabe von geologischen Spe 
zialkarten und Druckschriften, Erforschung des Erd 
bodens mit Bezug auf Mineralstoffe, Wasserführung 
und tektonischen Aufbau, chemische Analyse von 
Gesteinen, Mineralien, Erzen, Kohlen usw. Der 
gegenwärtige Direktor ist Hofrat Dr. Wilhelm 
Hammer. 
Die Versuchsanstalt für Bau- und Maschinen 
material am Technologischen Gewerbemuseum in 
Wien ist vom Niederösterreichischen Gewerbe 
verein unter meiner Direktion im Jahre 1887 er 
richtet worden. Die Anstalt wurde 1904 verstaat 
licht und 1912 für das Gesamtgebiet der mechani- 
15
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.