Zur Geschichte der griechischen Keramik.
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wird man ihre sichere Pinselführung, den Schwung und Fluss in den Contouren, ihren
stimmungsvollen Ernst mit Freude geniessen. Nirgends offenbart sich der Adel attischen
Handwerkes so unmittelbar, als gerade an diesen Erzeugnissen, die man nicht für die
Ausfuhr in fremde Länder, sondern ausschliesslich für den heimischen Todtencultus schuf.
Der schöne Stil findet seine letzte Ausbildung, eine neue Blüthe, und sein Ende
in Italien. Schon frühzeitig hatte man hier die aus Griechenland eingeführten Thonwaaren
nachzuahmen versucht (vgl. Nr. 146 ff.). Am selbstständigsten zeigt sich die Keramik Etru
riens. Sie pflegte besonders die Bucchero-Technik (vgl. Nr. 160 ff.), d. h. ein Verfahren,
in welchem die Gefässe durch Dämpfung eine schwarze Färbung erhielten. Die Mehrzahl
der in unserer Sammlung befindlichen Stücke dieser Gattung geht noch auf griechische
Vorbilder zurück; bald aber schuf man sich einen eigenen Formenschatz, der an Seltsam
keit mit den keramischen Erzeugnissen der alten Peruaner und Mexikaner erfolgreich
wetteifert. (In unserer Sammlung kein Beispiel.) Auch die Nachahmungen der bemalten
Gefässe, die man in Etrurien zu allen Zeiten versuchte, verrathen auf den ersten Blick
provinzielle Mache und die etruskische Eigenart. (Vasen aus der Zeit des schönen Stiles,
Nr. 448—450.) Vereinzelt steht die interessante Vase Nr. 451, deren etruskischer Ursprung
übrigens sehr unsicher ist.
In einem gegenwärtig noch nicht zu bestimmenden Umfange sind die griechi
schen Colonien in Unteritalien vom Mutterlande abhängig. Wir können nur annehmen,
wenn auch nicht beweisen, dass ein guter Theil der in Italien gefundenen Vasen, nament
lich gewisse Gattungen, die jetzt noch als attisch gelten, unteritalischer Herkunft seien.
Erst im 4. Jahrhundert sondert sich ein unteritalischer Stil deutlich von dem attischen.
Neben Campanien und Lucanien zeichnet sich besonders Apulien durch eigenartige Er
zeugnisse aus. Wir besitzen leider keine jener colossalen Amphoren, die unbedingt zu den
prunkvollsten Schöpfungen der Keramik aller Zeiten gehören — wie überhaupt unser
Besitz an unteritalischen Vasen nichts Hervorragendes umfasst. Jene Züge nun, die den
schönen Stil in Attika charakterisiren, finden sich in der unteritalischen Vasenmalerei
wieder, nur noch schärfer ausgeprägt und übertrieben. Die Formen der Gefässe sind viel
fach kraftlos und zu elegant, die Technik ist flüchtig und mit der übermässigen Anwen
dung von gelber, weisser und rother Deckfarbe nur auf decorative Wirkung berechnet,
das Darstellungsgebiet gewöhnlich nichtssagend; eine neue, interessante und werthvolle
Bereicherung bedeuten nur die dem attischen Drama entlehnten Stoffe. Wie in der archai
schen Vasenmalerei sucht man die Flächen vollständig zu bedecken, und wendet zu diesem
Zwecke Füllornamente an. Schon im 3. Jahrhundert tritt der Verfall ein, es kommen
diejenigen Gattungen auf, bei denen die Malerei nicht mehr aus dem Firniss ausgespart,
sondern vollständig aufgetragen wird (vgl. Nr. 495 ff.); zuletzt schuf man auf diese
Art armselige Imitationen rothfiguriger Vasen (vgl. Nr. 514—518). Nun war der Kreis
lauf der Vasenmalerei vollendet; sie wird von der Reliefplastik abgelöst, die anfänglich
noch den griechischen Firniss verwendet (Calener Schalen Nr. 5y3 ff.), dann aber, als
die Kenntniss auch dieser Technik verloren ging, in der korallenrothen Färbung der
römischen Gefässe ein neues Decorationsmittel erfand.
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