MAK
Zentralblaff für Sammler, Eiebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Horbert ehrlich und J. Hans Prosl. 
2. Jahrgang. 
Wien, 15. Juni 1910. 
Hummer 12. 
Glückspilz als 5ammler. 
Von Emil Sigerus (Hermannstadt). 
■ enn in Hummer 9 dieses Blattes ein Pechoagel 
seine Erlebnisse als Sammler schildert, so möchte 
ich auch als Gegenstück die Erfolge eines Glücks 
pilzes, oder roenigstens einige deren erzählen. 
Denn roie schon jener Pechoagel ermähnte, 
gehört zum Sammeln Glück und ich 
möchte behaupten, dafj oft Glück bei dieser 
Tätigkeit notroendiger ist, als Geld. Wer aber 
beides * ia ^’ ^ ann 9 ero '^ die allerschönsten Er- 
WwQnrii f°4l e aufmeisen. 
Ich, der ich mich den geehrten Cesern der 
UyWW „Internationalen Sammler-Zeitung“ als Glückspilz 
///vTwvfw h' err, d höflichst oorstelle, besitje roeit mehr Glück 
ffMWvVvi als Geld. Aber trotzdem habe ich eine ganz 
! (1 sc h öne Sammlung zustande gebracht, oder 
Ur¥\ I e '9 er, N' c h deren zroei, denn meine erste Samm- 
mVY lung schenkte ich dem Siebenbürgischen Kar- 
IkVJmI P a thenmuseum in Hermannstadt und ermöglichte 
dadurch dessen Zustandekommen. Seither habe 
* c d dann meine eigene Sammlung geschaffen, 
die auch einige Gegenstände enthält. Jch roill 
aber hier gleich bemerken, da^ ich mit Rück 
sicht auf meine sehr geringen mittel das Gebiet meiner 
Sammeltätigkeit in zroeifacher Hinsicht sehr beschränkte. 
Ich sammle nur kunstgeroerbliche und ethnographische 
Gegenstände und diese nur in meinem engeren Vaferlande 
Siebenbürgen. Da ich oor dreifjig Jahren zu sammeln 
begann, konnte ich oieles, roie man zu sagen pflegt, um 
einen „Pappenstiel“ erroerben. Dazu dann mein Glück! 
Jch möchte niemandes Aberglaube bestärken, aber ich mufj 
es doch sagen: ich bin an einem Sonntag mittags 12 Uhr 
geboren! Bekanntlich sagt man den Sonntagskindern 
immerroährendes Glück ooraus. Ha, bezüglich meiner 
Sammeltätigkeit ist das Glück mir stets treu geblieben, 
aber sonst — doch ich roill ja hier nur oon meinem Glück 
als Sammler sprechen. 
Als ich mit der Herausgabe der ersten Auflage 
meines Werkes über siebenbürgisch-sächsische Kirchenburgen 
beschäftigt roar, kam ich an einem Sonntagmorgen in eine 
Dorfkirche, in der der Kirchendiener eben daran roar, den 
Staub aufzuroischen. Zufällig fielen meine Augen auf das 
zu diesem Zroeck benütjte Tuch. Jch bemerkte auf dem 
Tuch einen Vogelkapf und liefj es mir nun zeigen. Es roar 
ein Stück Ceinengeroebe mit blau eingeroirktem Ornament; 
jedenfalls stammte das Tuch aus dem Ende des XV. oder 
Anfang des XVI. Jahrhunderts und dafj ich es erroarb, 
ist selbstverständlich. Eine andere Kirche fand ich oer 
schlossen und ging daher zum Küster, in dessen Küche 
zroischen Kochtöpfen mir ein prächtiges gotisches JTlessing- 
becken entgegenleuchtete. Hach kurzem Handel roar das 
selbe in meinen Händen. 
Ein andermal kam ich oon einer Gebirgspartie herab 
in ein Dorf und trat, um ein Glas JTlilch zu trinken, in 
eines der ersten Bauernhäuser. Jn der Stube befand ich 
mich plötzlich einer famosen Renaissancetruhe mit Zinn 
intarsia gegenüber, die ich als Erinnerung an die Gebirgs 
partie mir mitnahm. Ein anderes schönes lllöbelstück 
fand ich gelegentlich einer Weinlese, die ich mitmachte, in 
einem offenen Schupfen stehen. Es roar ein Schrank, 
dessen form mir im Vorübergehen auffiel. Trotjdem er 
mit dunkelroter Ölfarbe überstrichen roar, konnte ich roahr- 
nehmen, dafj er furniert roar. Um dies zu konstatieren, 
schabte ich an einer Stelle die rote Ölfarbe ab und stief; 
dabei auf sehr interessante Jntarsia, Gleich nach der 
Weinlese ging der Schrank in meinen Besitj über und er 
freue ich mich, jetjf nach dessen Herstellung, immer roieder 
an der schönen Schreinerarbeit. 
Gelegentlich einer Urlaubsreise kam ich gegen Abend 
durch ein Dorf gefahren. Die fenster der Bauernhäuser 
standen alle offen, um die kühle Abendluft in die Stuben 
einzulassen. Jm Vorbeifahren hörte ich in einem Hause 
eine Uhr schlagen. Der Schlag roar so laut und hell, dafj 
er entschieden oon keiner geroöhnlichen Schroarzroälderin 
herkam. Jch liefj also den Wagen halten und trat ins 
Haus, um mir die Uhr anzusehen. Es roar eine schöne 
Dielenuhr aus der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts 
in einem eichenen Gehäuse. Hach langem Handeln konnte 
ich die Uhr in meinem Wagen mit nachhause nehmen. 
Ein andermal machte ich einen mir sehr roertoollen 
fund bei einem Studienausflug mit einem Kustos eines 
ethnographischen IHuseums. Es galt alle Bauernhäuser 
zu besichtigen und aufzunehmen. Jm Hofe eines solchen 
Hauses sah mir der Schroeinestall recht merkroürdig aus. 
Bei näherer Untersuchung entdeckte ich, dafj er in seiner Haupt- 
roand aus einer Eichentüre aus dem Ende des XVI. Jahrhun 
derts stammt. Ratiirlich liefj ich die Türe nicht roeiter dort.
	        
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