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Unsere Wohnung kann uns jedenfalls Wohlbefinden schenken, uns fröhlich machen,
uns Ruhe spenden, damit wir wieder neue Kräfte für neue Taten gewinnen. Sie ver
mag unser Wesen in so günstiger Weise zu erweitern, zu ergänzen und zu steigern,
daß wir in ihr und mit ihr unser Lebensgefühl gesteigert, uns selbst und die uns
nächsten Menschen glücklicher machen können.
Wenn diese Umgebung nun tatsächlich eine so wichtige Rolle einnimmt, verdient
sie, aufmerksamer beobachtet zu werden, und so ist es vielleicht wert, zu untersuchen,
ob auch das Räumliche unseres Heims den Gesetzen des Ändernmüssens, also der
Mode wirklich unterworfen ist. Wir kleiden uns also nicht wie unsere Eltern, wie
unsere Großeltern. Wir leben ein anderes Leben. Ist es da nicht folgerichtig, daß
unser Heim von heute, unser „Zu Hause“ von heute, ein anderes Gesicht trägt, als
es damals war? Wenigstens sollte es so sein. Ist es aber oft nicht so, kommt dies
von der hier vorliegenden schwierigeren Materie. Es ist eben leichter, ein Kleidungs
stück zu erneuern, als ein „altdeutsches“ Speisezimmer. Dennoch widerspricht dies
nicht der Richtigkeit unseres Empfindens, daß nämlich altertümliches Wohnen mit
unserem heutigen Leben schwer vereinbar ist. Wenn unsere Wohnung durch ver
ändertes Leben, veränderte Zivilisation ihre Gesichtszüge wechseln muß, ist dabei
gewiß auch die Einflußnahme durch die Mode mit im Spiel. Wie bei dem Wechsel
der Damenmode, sind es auch bei unseren vier Wänden unsere Augen, die, wenn
sie nichts Neues vorgesetzt bekommen, abgestumpft und blind werden.
Es ist deshalb eine nicht unwichtige Aufgabe, unsere nächste Umgebung für unsere
Augen lebendig zu erhalten. Die Beeinflussung dabei durch die Mode ist nicht als
überflüssig, sondern als wertvoller Faktor anzusehen. Dieser Aufgabe dienen gemein
sam Architekten, Baumeister, Tischler, Schlosser, Tapezierer und andere Hand
werker und eine weite Reihe von Industrien. Alle Kräfte, die unsere Wohnung auf
bauen, sind dabei am Werke, sei es, daß Architekten und Baumeister durch neue
Maße, Türen, Fenster einen neuartigen Raum schaffen, sei es, daß Tischler und
Tapezierer neuartige Möbel bauen.
Im Zuge der Zeit lag es, daß nach der überladenen Makart-Periode des vergan
genen Jahrhunderts der Drang nach Vereinfachung einsetzen mußte. Alles in unserem
Hause, außen und innen, mußte auf eine Grundform, auf die Zweckform zurück-