Klerus und Hofe getragene Kunstübung ab, führte
seit 1370 1380 in wenigen Fällen zu novellisti
schem Erzählerreichtum im plastischen Portaldekor
und in einzelnen Hochaltarbauten und leitete ein zwei
tes Mal, nach der letzten kurzen Vorherrschaft höfischer
Kunstübung für private Andachtszwecke, vor und um
1400 — die zu den großartigsten Leistungen führte —,
zum weichen Idealstile und damit allmählich zum Flü-
gelaltare über (vgl. Tafelmalerei). Die weitere Zunahme
bürgerlicher Stiftungsmöglichkeiten brachte seit der
Mitte des 15. Jahrhunderts neue realistische Tendenzen
im Kirchenbaue mit seinen nunmehr reich gegliederten
Gewölbelösungen, aber auch in der Plastik mit sich,
trieb hier schließlich über den Stil der langen Linie und
die folgende Verzartung des Körpergefühles, bei Zu
nahme der Gewandfülle der Gestalten und eckigem
Faltenbilde, seit dem 7. Jahrzehnt hundertfältige Blüten
und endigte im letzten Jahrzehnt in einem relativ pro
jektiven Bewegungsstil großartiger, diesseitiger Aus
druckskraft oder hehrer, jenseitiger Verhaltenheit. Jetzt
fand der Schnitzaltar (vgl. Tafelmalerei) seine letzte
und eindrucksvollste Lösung! Um 1500 strömt neues,
naturhafteres Körpergefühl, um 1510 größere Bewe
gungsfülle in die Figuren, während sie seit 1515 in zu
nehmendem Maße barocker, stürmischer Bewegungs
drang erfüllt. Neue Typen bürgerlicher Abkunft und in
modischen Gewändern stehen nun in Altarschreinen, die
Frührenaissanceformen aufzeigen. Sie sind die letzten
Träger einer dem ausklingenden Mittelalter immer
noch verbundenen, aber in eine ungewisse und offen
sichtlich kämpferische Zeit eintretenden Welt.
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Während der Kruzifixus des Melkerhofes
in Wien in seinem primitiven, aber bewegten Auf-
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