VORWORT
Der bedeutende Einfluß des Orients auf die europäische Kunst des Historismus wurde
in einigen Ausstellungen und Publikationen bereits dargestellt: in der Ausstellung
„Weltkulturen und moderne Kunst“ (München 1972) unternahm man den Versuch, ein
möglichst breites Spektrum zu erfassen; im 1973 erschienenen Katalog zur Ausstel
lung „Kunstgewerbe des Historismus“ widmete Barbara Mundt dem orientalischen
Einfluß ein umfassendes Kapitel. Ihr Katalogschema, das nach „Vorbild-Stilen“ (Mundt)
gegliedert ist, wurde im Prinzip auch vom Historismus-Katalog des Prager Kunstgewer
bemuseums (1975/76) übernommen. Der Katalog „Hundert Jahre Österreichisches
Museum für angewandte Kunst“(1964) hatte ein anderes System (Gliederung nach
Materialgruppen) zur Grundlage (Möbel, Metall, Glas etc.). 1977 fand in den Staatlichen
Museen zu Berlin/DDR (Kunstgewerbemuseum Schloß Köpenick) eine Ausstellung
„Glas - Historismus und Historismen um 1900“ statt, in der ebenfalls orientalisierende
europäische Gläser vertreten waren. 1979 erschien der Katalog „Ceske sklo 19. stoleti“
zu einer Ausstellung der Moravaskä Galerie in Brünn.
In keinem dieser genannten Kataloge fehlen Gläser der Firma J. & L. Lobmeyr, Wien.
Zum 150jährigen Bestand der Firma wurde 1973 die Ausstellung „Lobmeyr 1823-1973.
150 Jahre österreichische Glaskunst“ im Österreichischen Museum für angewandte
Kunst präsentiert, und 1979-1980 war die Ausstellung „Glas aus Wien - J & L Lobmeyr -
Vom Biedermeier bis zur Gegenwart“ in Zürich, Frankfurt und Göttingen zu sehen.
Lobmeyr-Gläser sind zwar fast ausnahmslos durch das Firmenmonogramm (JLLW) in
ihrer Herkunft gesichert, doch gibt es hinsichtlich ihrer Datierung noch viele offene
Fragen, soferne die Gläser nicht unmittelbar nach ihrer Herstellung für Sammlungen
erworben wurden. Schwieriger noch als das Datierungsproblem ist die Frage nach
dem Entwerfer (der ja mit dem Zeichner von Werkvorlagen nicht identisch sein muß)
und nach dem ausführenden Glasmaler bzw. -Schneider. Schließlich ist die Rolle des
„Vor-Bildes“ (sei es nun ein Objekt, ein Motiv aus einem Ornamentwerk oder einer zeit
genössischen Fachzeitschrift) in ihrer Vielschichtigkeit von der direkten Übernahme
bis zur freien Paraphase noch weitgehend unerforscht.
Eine Berücksichtigung all dieser Aspekte ist nur bei einer selbstauferlegten themati
schen Einschränkung möglich. Das Österreichische Museum für angewandte Kunst
besitzt einen Bestand an Historismus-Gläsern, der noch immer, wenn auch stark dezi
miert, eine nahezu unerschöpfliche Quelle der Information bietet. Einen ganz einzigarti
gen Schatz bewahrt das Museum in 18 Bänden mit „Werkzeichnungen ausgeführter
Gegenstände“ der Firma J. & L. Lobmeyr, Wien, auf. Diese 1883 bzw. 1892 als Geschenk
Ludwig Lobmeyrs ins Museum gelangten großformatigen Bände sind nicht nur wegen
ihrer dokumentarischen Bedeutung, sondern auch wegen der außerordentlichen
Qualität der Zeichnungen selbst von unschätzbarem Wert. Eine wissenschaftliche
Auseinandersetzung mit den Historismus-Gläsern des Museums (besonders den
österreichischen) muß diese Bände daher in entsprechendem Maß einbeziehen.
Eine Bestandaufnahme der Lobmeyr-Gläser im Österreichichen Museum für ange
wandte Kunst schien nur in Verbindung mit diesen „Werkzeichnungen ausgeführter
Gegenstände“ sinnvoll. Der Reichtum des Materials legte von vornherein eine Veröf
fentlichung in Teilbereichen nahe. Durch Einbeziehen der entsprechenden Gläser im
Firmenmuseum Lobmeyr, Wien, und der zugehörigen Entwürfe war eine weitere Ver
vollständigung möglich, für die ich mich bei der Firma Lobmeyr herzlich bedanken
möchte.
Der vorliegende Band konzentriert sich auf die orientalisierenden Lobmeyr-Gläser, die
für die Wiener Weltausstellung 1873 entworfen wurden: Serien von Josef Salb, Josef
7