DIE GLASRAFFINERIE
In dem Kapitel „Die Glasindustrie der Gegenwart. Mit Beziehung auf die Weltausstel
lung in Wien 1873“ geht L. Lobmeyr in der 1874 erschienenen Publikation näherauf die
Bedeutung der Glasraffineure ein. Über die Verhältnisse in Frankreich schreibt er
(Lobmeyr 1874, S. 181):
„Das Bemahlen und Vergolden der Glaswaare wird in Frankreich vorwiegend in der
Hauptstadt selbst besorgt; eine Einrichtung, die freilich billigere Lebensbedingungen
voraussetzt, als es die in Wien sind und die den Vorteil hat, dass der Maler durch die
vielen Anregungen, die ihm die Weltstadt bietet, weit besser, als der im Gebirge in der
Lage ist, sich Geschmack anzueignen und sich überhaupt auszubilden. In Wien hat nur
die Firma J. Schreiberund Neffen ein kleineres Maleratelier eingerichtet, sonst werden
alle Dekorations-Arbeiten in Böhmen selbst ausgeführt“. In Österreich spielten die
Glasraffineure laut Lobmeyr eine besondere Rolle, und zwar vor allem im Bereich des
Luxusglases:
„Auf diesem Gebiete tritt in Österreich das Wirken der Glasraffineure, welche in einer
verhältnismässig so grossen Anzahl und so selbständigen Bedeutung in keinem ande
ren Lande Vorkommen, besonders hervor.
Der Hauptsitz dieses wichtigen Hilfsfaches ist in der Gegend von Steinschönau und
Haida. Es ist urkundlich nachgewiesen, dass dort schon in der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts Glasfabriken bestanden und dass sich dieselben im Laufe des
genannten und des folgenden Jahrhunderts stetig vermehrten. In jenerfrühen Epoche
mochten, wie jetzt noch anderwärts, die allmälig sich entwickelnden Glasmalereien,
Glasschleifereien etc. unmittelbar mit den Fabriken vereint gewesen sein.
Als aber mit der Zeit das Holz im Hügellande weniger wurde und die Fabriken selbst
sich tiefer in das Gebirge zurückziehen mussten, blieben wohl die Raffinerien in den
zugänglicheren Orten zurück, wo die Arbeiter ein festes Heimwesen besassen, das
cultivirtere Land durch den Nebenbetrieb von Ackerbau und Viehzucht einerseits den
Lebensunterhalt leichter beschaffen liess, anderseits auch den Handel wesentlich
förderte.
Was anfänglich nur Zweigunternehmen der Glasfabrikanten war, wurde der Art später
ganz selbständig. Mit dem sich steigernden Absätze wurden neue Schleifmühlen
gebaut; mehrten sich Vergolder-, Maler-und andere Werkstätten; es entstanden immer
neue Geschäfte, die schliesslich, wie wir es heute sehen, in der Erzeugung bestimmten
festen Richtungen folgen, wie sie entweder eine spezielle Technik oder der
Geschmack in jenen Ländern, für welche sie arbeiten, bedingen; ein Verhältniss, durch
welches die Theilung der Arbeit ganz von selbst immer schärfer zum Ausdrucke
gekommen ist.
Daher kommt es auch, dass es in Böhmen eine grosse Anzahl Fabriken gibt, welche
sich ganz und gar nicht mit der Verfeinerung derWaare befassen, nur weisses oder far
biges Glas in solche Formen blasen oder pressen, wie sie die Raffineure bestellen, also
nur .Rohware' erzeugen; dann noch eine weitere nicht geringe Anzahl Fabriken, welche
nur einen Theil ihres geblasenen oder gepressten, kurz ihres Rohglases selbst ver
feinern, den andern Theil aber an die Raffineure verkaufen und verhältnismässig nur
wenige Glasfabriken, welche alles von ihnen erzeugte Glas selbst veredeln.
Wenn wir nun die in dieses Fach einschlagenden ausgestellten Artikel einer näheren
Würdigung unterziehen, müssen wir vor Allem die für den Export berechnete Massen
fabrikation, wie sie vorwiegend in den Bezirken von Steinschönau und Haida betrieben
wird, von jener Industrie unterscheiden, welche hauptsächlich die Erzeugung hoch
feiner Luxuswaare im Auge hat.
13Kein Volltext zu diesem Bild verfügbar.
Kein Volltext zu diesem Bild verfügbar.