menstil geschaffen, ja sie haben auch den occidentalischen angeregt. Freilich nur an
geregt, denn wie weit haben sie die Franzosen, welche in der Blumenliebhaberei die
Perser des Westens sind, von jenen Prinzipien der Blumenornamentation entfernt, die
sie im Anfang des vorigen Jahrhunderts auf den persischen Fayencen, Seidenstoffen,
Teppichen u.s.w. kennen lernten und in die eigene Kunst einführten! Nichts ist lehrrei
cher und so geeignet für das Verständniß wahrer decorativer Prinzipien als die Verglei
chung eines orientalischen, zumal persischen Blumenteppichs mit einem modernfran
zösischen, die doch beide den gleichen Ausgangspunkt genommen haben und beide
dieselben Mittel verwenden - auf der einen Seite lebhafte, ungebrochene Farben und
doch ruhige Harmonie, auf der andern zumeist gebrochene Töne und doch eine harte,
bunte und schreiende Wirkung! dort ohne alle Zeichenschule und Akademie stilvolle
Linien und Bildungen, schön geschwungene Windungen, wundervolles Arrangement,
hier mit allem Kunstunterricht und allem Aufwand chemischer und technischer Mittel
doch nur eine willkürliche, geschmacklose Anordnung, eine gehäufte, wilde Masse!
Weniger Behagen fühlen wir in der türkischen Abtheilung. Die Türken, an sich von allen
orientalischen Stämmen wohl am wenigsten künstlerisch begabt und indolent zur
Handarbeit, haben sich für ihre Industrie zumeist fremder Arbeiter bedient, besonders
der Perser und Griechen; dazu sitzen der Nationen so viele und veschiedene in dem
weiten Reiche, deren Erzeugnisse sämmtlich in gemeinsamer Ausstellung vereinigt
sind; endlich, in fortwährender politischer und commerzieller Berührung mit Euro
päern, haben sich die Türken europäischen Einflüssen weniger unzugänglich gezeigt.
So ist es gekommen, daß wir auf der Weltausstellung in jenen Räumen, in denen die
Industrie des türkischen Reichs sich eingerichtet hat, gar verschiedenartige Dinge und
Kunststile erblicken, die oft auf demselben Gegenstände ineinander wachsen. Hier
sehen wir Teppiche von Smyrna ohne alle Zeichnung bloß nach dem orientalischen
Prinzip der Farbenvertheilung durcheinander decorirt, worauf nie ein europäischer
Sinn verfallen wäre, dort sehen wir Möbel von Holz mit Perlmuttereinlagen, ächt
türkisch in der Arbeit, d. h. original nach dem Ursprung und schlecht in der Ausführung,
aber europäisch in den Formen; hier hängen neben persisch decorirten Seidenstoffen
andere mit französisch naturalistischen Blumenbouquets; neben goldtauschirten
Waffen von Damascus kann man andere finden mit vollständigen Rococoornamenten.
So hat die türkische Kunstindustrie europäischen Neuerungen Thür und Thor geöffnet
und wir fürchten, ihre Originalität wird zu Grunde gehen, wenn einmal in Konstanti
nopel, wie jetzt befohlen ist, ein türkisches Kunstindustriemuseum angelegt worden.
Fast europäischer und in jedem Fall uninteressanter erscheint Aegypten, während die
übrigen Staaten der afrikanischen Nordküste, zumal Tunis und Marokko, trotz ihrer
Lage am mittelländischen Meer, trotz des Handelsverkehrs mit Europa, merkwürdig
alte, ja vielleicht ältere Elemente bewahrt haben, als Indien und Persien. Zwar sieht man
in der Ausstellung dieser Länder mannigfach Gegenstände, die wir in gegründetem
Verdacht haben, vielleicht in Holland, am Rhein oder Italien das Tageslicht erblickt zu
haben und die daher sehr mißbräuchlicher Weise hier ihren Platz einnehmen; die
Hauptmasse der Kunstindustrieerzeugnisse, insbesondere Seidenstoffe, Bortenge
webe, Thongefäße u.s.w. trägt aber unverkennbar den Stempel jener mittelalterlichen
Ornamentik, welcher der maurisch=arabischen Kunst des Westens eigenthümlich
war. Ohne Zweifel war das einst, vielleicht bis ins 15. Jahrhundert hinein, der Kunststil
der ganzen muhammedanischen Welt, seitdem haben sich aber die asiatischen Län
der zum größten Theil davon losgemacht und statt dessen den persisch=indischen
Blumenstil angenommen. Auf den Seidenstoffen von Tunis und Marokko sieht man
noch genau dieselben Ornamente wie auf denjenigen von spanisch=arabischer Her
kunft aus dem 13. und 14. Jahrhundert.
Mit Marokko wären wir an das Ende jener Länder gekommen, in denen die Kunst des
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