Kunstwerk, es ist auch dasjenige, welches uns trotz seines gegenwärtigen, nur ruinen-
haften Zustandes diesen Stil am besten kennen lehrt. Man ist daher wohl gewöhnt,
dieses maurisch=sarazenische Ornament mit dem Namen A!hambra=Ornament zu
bezeichnen.
Fragen wir nach der Entstehung desselben, so dürfen wir kaum weiter zurückgehen als
bis zur Gründung des Islam durch Mohamed, denn dieser Stil ist der geschichtlichen
Entwicklung nach wie in seinem vollen Wesen und Charakter der Stil des Mohameda-
nismus, mehr freilich wie die sarazenische Welt damals war, in ihrer mittealterlichen
Blüthezeit, als heutzutage in ihrer Stagnation und Indolenz. Etwas anderes ist es, wenn
wir nach den Quellen oder den Elementen fragen, aus welchen sich dieser Stil gebildet
hat, denn auch er hat bereits früher bestandene Kunstformen angenommen und
selbstständig nach seinem eigenen Gefühl und Geschmack verändert.
Betrachten wir uns das Alhambra=Ornament, so werden wir alsbald herausfinden, daß
es zwei verschiedenartige Elemente sind, in deren reicher, phantasievoller Verbindung
sein Wesen besteht. Das eine ist ein geometrisches, welches regelmäßige Figuren aus
graden und gebogenen Linien bildet, vom Dreieck angefangen bis zu den ecken= und
linienreichsten Sternformen. Das zweite ist die freie, laub= und rankenähnliche Ara
beske, welche einmal, wenn auch nicht bei den Arabern selbst, ihren Ausgang von
Pflanzenformen genommen hat, so wenig sie es auch in ihrer stilisirten Form erkennen
läßt. Wo finden wir nun, fragen wir, bei einem Volke oder bei einem Kunststil, welcher
dem Islam vorausgeht, diese beiden Elemente?
In den Formen, wie sie uns die Alhambra, also die maurische Kunst des 13. und 14. Jahr
hunderts bietet, schwerlich irgendwo, so original ist der Eindruck, den uns dieses
Ornament macht. Gehen wir aber zurück und sehen wir, wie es in den ersten Jahrhun
derten des Islam beschaffen war, wo es sich in dem Stadium der Entwicklung sich
befand, so finden wir byzantinische Anklänge genug und wir entdecken ohne Mühe die
Quelle beider Elemente in der byzantinischen Kunst, allerdings zu einer Zeit, da diese
selbst schon asiatischen Einflüssen nicht ohne Nachgiebigkeit ausgesetzt gewesen
war. Wir wissen ja zudem, daß die ersten arabischen Bauten nur den byzantinischen
nachgebildet sind und die arabische Architektur erst nach und nach, wenn auch
schnell genug, ihren eigenthümlichen Charakter erhielt. Griechisch=byzantinisch
waren ja alle Culturländer, welche der Islam in seinem jungen Siegesflug sich unter
warf, und die Araber, die Söhne der Wüste, lernten von der Cultur ihrer unterworfenen
Völker. Sollen wir genauer sein, so sind es einerseits die Windungen des Akanthus-
laubes, welche den Ausgang der maurischen Arabeske bilden, wie das die Ornamentik
an der Moschee von Touloun in Kairo (erbaut 876 v. Chr.) noch deutlich erkennen läßt,
andrerseits die Fußbodenmosaiken von farbigem Marmor, welche die ersten Musterfür
das geometrische Element herliehen. (S. arab. Akanthus in der „Gewerbehalle“ 1864
S. 55, Nr. 6. - Abb. 313)
Was dieses letztere betrifft, so ist es allerdings auch möglich, daß es die Araber bereits
als das ihnen eigenthümliche Kunstelement aus ihrer Wüstenheimath mitgebracht
haben. Wenn die Beobachtung richtig ist, daß alle diejenigen Völker ein lineares oder
geometrisches Element zu ihrer Ornamentik verwenden, welchen der Himmel einen
sterilen, pflanzenarmen Boden verliehen hat, so möchte sie für die Araber ganz beson
ders Geltung haben. Von ihrer Kunst aber vor dem Islam in ihrer alten Heimath wissen
wir nichts, und wir bleiben somit über diesen Punkt im Dunklen.
Wir haben schon angedeutet, wie äußerst reich und mannigfach die Verwendung
beider Elemente in der arabisch=maurischen Kunst ist. Werfen wir einen Blick in die
großen literarisch=artistischen Werke, denen wir die genaue Kenntniß der Alhambra
verdanken, in Laborde’s Reise in Spanien, Murphy’s arabische Kunst in Spanien und
endlich in das großartige Prachtwerk über die Alhambra von dem englischen Architek-
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