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Volltext: Orientalisierende Gläser

Orient vielleicht schon ein paar Jahrhunderte vor der Entstehung des Islam dem 
Westen geliefert, namentlich auch zum Gebrauch der christlichen Kirche. Als der 
Orient muhamedanisch wurde ist diese Fabrikation fortgegangen, und ganz unleugbar 
sarazenische Fabrikstätten, wie z.B. das Hotel de Tirraz in Palermo, das später unter 
christliche Herrschaft kam, haben sie produzirt. Möglich ist freilich, daß diese Stoffe 
nur für den christlichen Gebrauch zum Handel und auf Bestellung gearbeitet wurden, 
womit denn das Verbot des Koran umgangen war. Der sarazenische Künstler konnte 
sich aber auch damit entschuldigen, daß diese Thierbilder entweder nur Gestalten der 
Phantasie seien, ohne in der Wirklichkeit ein Vorbild zu haben, oder daß er sie so umge 
bildet hatte, um ebenfalls als seine Geschöpfe gelten zu können. 
Das Interessante dabei ist für uns, wie er sie umbildete, wie er sie zu ornamentaler 
Verwendung brachte. Er machte es damit, wie es der stilisirende Künstler mit den 
Pflanzen macht. Er entkleidete sie des Runden und zeichnete sie im bloßen Schatten 
riß, vielleicht nur mit contourirter Umgränzung einiger Haupttheile des Körpers. Den 
Umriß füllte er, ohne alle Schattenangabe, mit einer und derselben beliebigen Farbe 
aus. Häufig wurden diese Contouren durch Perlenreihen gebildet, und um zu zeigen, 
wie frei er mit diesen Thiergestalten umgehen könne, wie wenig abhängig er von der 
Natur sei, scheute er sich nicht, auf den inneren Flächen noch Arabesken anzubringen, 
gleichwie auf dem Pflanzenornament der Alhambra. Ein Beispiel davon ist der be 
rühmte deutsche Kaisermantel, ein Fabrikat von Palermo, weiches heute in Wien 
aufbewahrt wird. Hier stürzt sich ein Löwe mit gewaltiger Energie auf ein Kameel. Beide 
Thiere sind gearbeitet, wie wir sie beschrieben haben; die Contouren mit Perlreihen an 
gegeben, während sich auf der rothen Fläche des Löwen noch verschiedene Orna 
mente, mit Gold und Perlen gestickt, befinden. Ganz ähnlich sind auch die beiden 
schlanken Thierbilder auf jener Alhambravase verziert, deren wir so eben gedacht 
haben. Durch solche Behandlung wurden diese Thiergestalten nicht bloß ornamental 
verwendet, sondern sie wurden selbst Ornament und hatten als solches in Bezug auf 
Farbe, in Bezug auf den Lauf der Linien, sowie nicht minder in Bezug auf harmonische 
Raumvertheilung den allgemeinen ornamentalen Gesetzen zu folgen. 
Ganz dasselbe war es noch mit einem anderen Element der Verzierung, dessen kunst 
gerechte Benützung für uns heutzutage so gut wie verloren gegangen ist, mit der 
Inschrift. Man kann nicht sagen, daß wir heute in der Architektur oder in der Kleinkunst 
von der Inschrift gar keinen Gebrauch machen, aber es kommt uns dabei lediglich auf 
den Sinn an, auf die Bedeutung dessen, was sie aussagt, seien es Namen oder Zeit 
oderThatsachen, die mit dem Gegenstände in Beziehung stehen, oder sonst ein poeti 
scher oder sinniger Gedanke, den man damit verknüpfen will. Was wir nicht thun, das 
ist, daß wir die Inschrift nach ihren Schriftzügen als Ornament betrachten und daß wir 
sie vermöge ihrer Linien und vermöge ihrer Farbe mit dem übrigen Ornament in harmo 
nischer Verbindung bringen. Das verstand das Mittelalter, das finden wir in höchst aus 
gezeichneter Weise auf der Alhambra, und das versteht noch heute der Orient. Unsere 
modernen Gothiker versuchen wohl etwas Aehnliches mit ihren flatternden Band 
rollen, die namentlich bei Kirchengewändern beliebt sind, aber das Gewurstelte, 
darmatig Verschlungene der langen Enden zerstört gewöhnlich nur die Harmonie des 
Ornaments. 
Weil der Orient die Inschrift selbst als Ornament betrachtet, so kann er auch einen weit 
ausgedehnteren Gebrauch davon machen. Sie ist ihm nur eine andere Art der Arabes 
ke, die mit der gewöhnlichen Arabeske wechselt oder in Verbindung tritt. Ihr Sinn wird 
dadurch fast zur Gleichgültigkeit, d. h. insoweit, als er sich auf den zu schmückenden 
Gegenstand zu beziehen hat; es genügt, wenn sie nur überhaupt etwas Bedeutendes, 
den Beschauer Anregendes auszusagen weiß. Zahlreich sind daher auf den Wänden 
der Alhambra, wie überall in der muhamedanischen Kunst die Sprüche aus dem Koran, 
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