Wenn sich somit selbst die Schrift in die künstlerische Harmonie einfügen muß, so läßt
sich wohl nach allem, was wir erörtert haben, nicht bezweifeln, daß der arabische
Künstler nicht nach dem Gefühle gehandelt hat, sondern bei seiner Ornamentation der
Mittel und der Prinzipien ihrer Verwendung, sowie nicht minder der künstlerischen
Ziele sich vollkommen bewußt war. Er war sich klar über die Wirkung, welche er erzielen
wollte, und kannte die Mittel, mit denen sie zu erreichen stand. Wenn er alle Wände, alle
Flächen, die sich nun darboten, mit seiner reichen Arabeske und seiner gesunden
leuchtenden Färbung bedeckte, so wollte er dem auf äußere Schönheit bedachten
Sinn des Orientalen eine Stätte geben, die diesen Sinn gefangen nahm und befriedigte;
er wollte der Lust und Liebe, dem heiteren, aber fein cultivirten und geistreich üppigen
Leben, wie das maurische damals war, die entsprechend heitere, wohlige, reizende
Umgebung schaffen. Das Auge sollte Genuß und seliges Behagen fühlen, wohin es
auch fiel; aber an jedem Punkt mußte es befriedigt weilen können, keinen Mangel
spüren, kein Zuviel, nicht durch das Gewirr der durchschneidenden Linien selber in
Verwirrung gerathen, noch durch divergirende Richtungen fernab oder hinausgezogen
werden. Im Obigen haben wir die Mittel und Gesetze angegeben, wie der arabische
Künstler dieses höhste Ziel der Decoration erreichte; unserer modernen Kunst würde
es aber geziemen, diese Mittel und Gesetze zu studiren und als allgemein gültig zur
Verwendung zu bringen. Ernstes Studium und rechtes Verständnis würden sie vor
bloßer Nachahmung bewahren.
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