EMIL ADAM: ÜBER GLASFARBEN
(Jahres-Bericht der k. k. kunstgewerblichen Fachschule für Glas- und Metall-Industrie
in Steinschönau, Schuljahr 1889/90, S. 7-21)
Obgleich es eine ganze Reihe von Werken und Abhandlungen gibt, welche die chemi
sche Zusammensetzung und Herstellung von Glasfarben in eingehender Weise erklä
ren, so kann doch nicht geleugnet werden, dass viele derselben ihren Zweck, dem
Glastechniker und Glasmaler als Hilfsbuch und verlässlicher Rathgeber zu dienen, nur
theilweise oder gar nicht erfüllen. Wer sich die Mühe nimmt, die veröffentlichten zahlrei
chen Recepte zur Herstellung von Glasfarben auch praktisch zu prüfen, wird die über
raschende Erfahrung machen, dass sehr viele derselben völlig unrichtig sind, dass
sich häufig die gleichen Angaben, sowohl gute wie wertlose, in den verschiedenen
Abhandlungen wiederholen und dass es schließlich trotz der vielen literarischen
Behelfe nothwendig ist, bewährte Glasfarben chemisch zu untersuchen, wenn es sich
darum handelt, eine Serie von Glasfarben herzustellen oder einen klaren Überblick
über die Zusammensetzung derselben zu gewinnen. Es zwingen diese Thatsachen zu
dem Schlüsse, dass bei der Veröffentlichung von Farbrecepten zumeist nicht mit jener
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit vorgegangen wird, welche allein im Stande ist, den
selben einen praktischen Wert zu verleihen, und es ist wohl erklärlich, wenn Glastech
niker und Glasmaler alle Publicationen über die Herstellung von Glasfarben mit einem
gewissen Misstrauen betrachten, weil es oft recht schwer ist, sich ohne vorherge
gangene Versuche ein Urtheil über die Zuverlässigkeit der gemachten Angaben zu
bilden, vorausgesetzt, dass dieselben nicht derart schreiende Missverhältnisse zwi
schen den einzelnen Stoffen aufweisen, dass selbst dem mit der Zusammensetzung
von Glasfarben weniger vertrauten Fachmann die Wertlosigkeit der betreffenden Vor
schriften sofort klar wird. Als Beweis dafür, dass sich auch solche Angaben häufig
genug vorfinden, möge nur beispielsweise angeführt werden, dass in einem Lehr
buche über die Glasfabrikation unter andern Recepten angegeben wird, man könne
aus 2 Theilen Kupferoxyd und 1 Theil leicht schmelzbarem Krystallglas eine schwarze
und aus 1 Theil Knochenasche, 2 Theilen Mennige und 4-8 Theilen weißem Glas eine
weiße Glasfarbe herstellen; dass solche strengflüssige Farben nicht verwendet
werden können, steht außer jeder Frage, weil beim Einbrennen die damit decorierten
Glasgegenstände längst zu einer formlosen Masse zusammengeschmolzen wären,
ehe diese fast ebenso schwer schmelzbaren Farben den nöthigen Schmelzungsgrad
erreicht hätten. Derartige Angaben können somit ebensowenig im Interesse des
Gegenstandes liegen wie Abhandlungen, weiche aus nicht völlig zuverlässlichen
Werken zusammengestellt, und vorher nicht bezüglich der Richtigkeit der darin enthal
tenen Vorschriften praktisch geprüft worden sind.
Es schien mir nöthig, diese Bemerkungen vorauszuschicken, um dem Vorwurfe zu
begegnen, dass die vorliegenden Zeilen längst Bekanntes behandeln und die ohnehin
zahlreichen Angaben zur Herstellung von Glasfarben nur vermehren, ohne etwas
wesentlich Neues zu bieten. Dem gegenüber möge erwähnt werden, dass die hier mit-
getheilten Farbenrecepte aus dem Bedürfnisse entsprungen sind, die Schüler der
Fachschulen für Glasindustrie beim Chemie- und Laboratoriums-Unterrichte mit der
Zusammensetzung der verschiedenen Glasfarben vertraut zu machen. Diese Aufgabe
des Lehrers lässt sich aber aus den oben angeführten Gründen gewissenhaft nur in der
Weise lösen, dass die praktische Prüfung des über diesen Gegenstand veröffentlichten
Materials Hand in Hand geht mit der Durchführung einer grossen Anzahl von Versu
chen und der Analyse bewährter Farben und Flussmittel. Die so entstandenen nach
stehenden Vorschriften, welche allerdings nur die sogenannten Glasschmelzfarben
umfassen, basieren deshalb zum Theile auf den wertvollen Angaben Salvötas über die
Decoration von Thonwaren, zum Theile auf analytisch gewonnenen Resultaten.
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