österreichische Glasindustrie ungemein viel für die Entwicklung des guten Geschmak-
kes zu danken hat. Hier finden wir eine sonst leider seltene Erscheinung: den umsich
tigen Geschäftsmann, ausgerüstet mit dem vollsten Verständnisse für die künstle
rische, die ästhetische Seite seiner Industrie. Nur so ist es zu verstehen, wie die Aus
stellung des Hauses Lobmeyr eine so unendliche Mannigfaltigkeit der besten Leistun
gen in fast allen Branchen der Glasindustrie, soweit sie uns als Kunstgewerbe interes-
sirt, zu bieten vermochte.“ (Blätterfür Kunstgewerbe 3/1874, S. 81: T.: Die Glasarbeiten
auf der Wiener Weltausstellung 1873)
Auch Lessing rühmt die Gläser Lobmeyrs: „Die Arbeiten von Lobmeyr können es mit
jeder gleichzeitigen oder älteren Arbeit aufnehmen, Form und Ornamente seiner Glas
waren sind von den berufensten ornamentalen Künstlern gezeichnet. Die große Tafel
ausstattung, welche für den Kaiser von Oesterreich angefertigt ist, gehört zu dem
Schönsten, was jemals innerhalb dieser Technik geleistet worden ist und übertrifft
besonders die geschliffenen Arbeiten des vorigen Jahrhunderts in Zeichnung und Ver-
theilung des Ornamentes weitaus. Auch hier scheint man an der Grenze des Erreich
baren angelangt zu sein. Man greift daher auch bereits zu neuen Mitteln und sucht
besonders die Farbe sich in besserer Art dienstbarzu machen, als dies bis jetzt in den
böhmischen Hütten geschehen war. Es werden rothe und blaue und grüne Glasflüsse
hergestellt, die mit Emailfarbe und Vergoldung auf das Zierlichste dekorirt werden.
Diese ganze Glasindustrie ist für den Hausgebrauch berechnet und macht ihren Ein
fluß bis in die einfachsten und billigsten Glasarten hin bereits in vortheilhaftester Weise
geltend“ (Lessing 1874, S. 211-212).
Während der Bericht von Jacob Falke über das gesamte Glas auf der Wiener Weltaus
stellung auf S. 52-60 abgedruckt wird, sei der Kommentar Friedrich Pechts über Lob-
meyr-Glas hierwiedergegeben: „Nirgends im Umkreis der doch sogroßen österreichi
schen Kunstindustrie läßt sich der Unterschied mit solcher Genauigkeit verfolgen, den
es macht, wenn der Leiter eines Etablissements mit Idealität und Geschmack, so wie
Einsicht und Thatkraft in ausreichendem Maße gesegnet ist, um bestimmte richtige
Ziele mit Beharrlichkeit verfolgen zu können, oder wenn es ihm bald an der richtigen
Einsicht, der Feinheit des Geschmacks oder gar am Willen gebricht, vorwärts zu kom
men. Denn selbst bei August Klein und Philipp Haas und Söhne, diesen beiden eben
falls hauptsächlich durch das Talent ihrer Leiter glänzend emporgekommenen Etablis
sements, finden wir doch kaum einen so auffallenden Abstand zwischen ihrer Produk
tion und derderUebrigen.alsersich bei der Ausstellung der Firma J. und L. Lobmeyr in
Verbindung mit Meyr’s Neffe in Adolf und ihren übrigen Concurrenten in der welt
berühmten böhmischen Glasindustrie findet.
Denn leider stellt sich diese letztere mit geringen Ausnahmen als ziemlich zurückge
blieben dar, und zwar keineswegs weil es ihr an ausreichender technischer Geschick
lichkeit, sondern lediglich weil es ihr und ihren Arbeitern fast durchgängig an
Geschmack fehlt. Wie könnte man auch etwas Gutes erreichen, wenn man kein Ziel,
d. h. kein Ideal hat, wenn man absolut nicht weiß, wie eine Sache aussehen sollte? Wie
kann Jemand nur gute Künstler finden, die ihm ihren Beistand leihen, wenn er die ge
niale von der mittelmäßigen Kraft gar nicht, überhaupt das schöne Produkt nicht vom
schlechten und rohen, die Kunst nicht vom Kunststückzu unterscheiden vermag, wohl
gar das letztere vorzieht?
Gerade dieß tritt aber in der Hälfte dieser Expositionen beständig hervor, daß der be
treffende Fabrikant oderauch Künstler absolut nicht wußte, was eigentlich nach irgend
einer Richtung hin anzustreben, d. h. schön wäre. - Und zwar immer weniger, je mehr
sich die Produktion zur rein künstlerischen in Form oder Farbe zuspitzt, so daß sie in
sämmtlichen Produkten fast allemal erlahmt, wo sie am besten werden sollte, in der
Malerei oder bei der strengen plastischen Form.
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