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Volltext: Orientalisierende Gläser

Jede Technik hat die natürlichen Vorzüge ihres Materials auszunützen, die doch zwei 
fellos beim Glas erstens in der Leuchtkraft und Durchsichtigkeit, dem Schimmerdes 
selben, dann seiner Fähigkeit bestehen, sich sowohl der kühnsten Formenimprovisa 
tion oder Skizzirung, wie sie die altvenetianischen Gläser zeigen, oder der feinsten 
Formenausbildung durch Schleifen und Zusammensetzung durch die Reflexionsfä 
higkeit des Tons aber der Verbindung mit allen möglichen Stoffen zu leihen. Endlich 
und das gerade am allermeisten, eine Fähigkeit zur Erzeugung der feinsten und wun 
derbarsten coloristischen Wirkungen zu besitzen, wie sie absolut keinem anderen 
Stoffe, selbst der Seide nicht zukömmt. 
Von all diesen Dingen sehen wir nun meistens bloß die Reflexions- und Leuchtkraft, die 
Transparenz mit Geschick benützt, obwohl auch selbst da noch die sogenannte Bril 
lantirung, die Schönheit und Leuchtkraft des englischen Glases nirgends vollständig 
erreicht wird. Sonst sind aber die Formen meistens stumpf, und selbst die Färbung weit 
entfernt ein volles Verständniß coloristischer Wirkungen zu zeigen. - 
Man würde diesen Zustand der so berühmten Industrie viel deutlicher sehen, wenn 
nicht das dem betreffenden Flügel präsidirende Etablissement der Lobmeyr’schen 
Firma sofort die Blicke fesselte, einen so günstigen, ja prachtvollen Eindruck machte, 
daß man dann weitergehend viel Mißliches in den Kauf nimmt. 
Dieser Eindruck ist im Gegensatz zu anderen hervorragenden Ausstellungen vor allen 
Dingen trotz der größten Pracht überaus ruhig und weit mehr harmonisch wohlthuend 
als pikant oder überraschend. Man hat mehr die Empfindung des Reichen, Vor 
nehmen und Edlen, als des Ueberwältigenden. - Dieses heiter behaglich glänzende, 
mehr gelassen zurückhaltende als blendend vordrängende Wesen, das etwas von der 
klassischen Ruhe an sich hat, verdankt es nächst der persönlichen Einwirkung des 
Chefs, die überall als das bestimmende hervortritt, vor allem dem Beistand eines klassi 
schen Künstlers, den er für seine Ziele zu interessiren verstund, Hansens, von dem wie 
von Storck, Teirich, Girard und Rehländer, Salb und endlich Lobmeyr selber die Zeich 
nung der Gegenstände meistens herrührt. Die überwiegende Masse derselben 
besteht aus ungefärbtem Glas, unter dem besonders die sehr zahlreichen, sich in den 
durchweg mit Spiegeln versehenen Wänden noch vervielfachenden Lustres durch 
ihre große Lichtmasse der Ausstellung das so überaus helle und sanft glänzende Aus 
sehen geben. - 
Die Hauptstärke der Produktion besteht aber nicht in ihrer, sondern in der Schönheit 
der geschliffenen Gläser, deren feine Grazie zuerst der Fabrik ihren Weltruf verschaffte, 
sie jeder andern des Auslandes ebenbürtig, den meisten überlegen machte. - In dieser 
Beziehung steht das in der Mitte befindliche große Trink= und Dessertservice für den 
Kaiser von Oestreich, nach Art der Bergkrystallgefässe des sechzehnten Jahrhunderts 
von Stork componirt und von Eisert gravirt, mit Gold= und Silberfassungen von Razers- 
dorffer oben an. Aber am Ende sind sie es trotz aller Feinheit doch nicht, welche den 
Charakter dieser Fabrikation bestimmten, sie zeigen ihn nur auf der höchsten Höhe, 
jenes geschieht vielmehr durch die Tafelaufsätze und Gefässe für den Handel, welche 
Hansen viel früher entworfen und die dann ihre wunderbare Ausführung und feinfühlige 
Präcision der ruhigen Energie Lobmeyrs verdanken. Die erste Anregung zu solchem 
Streben kam demselben wohl durch das östreichische Museum, das in dieser Bezie 
hung so vieles hervorgerufen. Später erst folgte die Verbesserung des Aufputzes und 
der organischen Verbindung mit Bronze, Holz und anderem Material, wie wir sie in 
einem großen Tafelaufsatz nach Hansen, kaum weniger glänzend aber auch noch bei 
einer großen Menge anderer Gegenstände bethätigt sehen. Die Ausführung der Gläser 
gehört durchgängig der Leitung Kraliks, Firma Meyrs Neffe in Adolph, und nur die Fas 
sung, Gravirung und Malerei, soweit sie nicht ornamental, wird theils in Wien unter Lob 
meyrs unmittelbarer Leitung, theils in Haida besorgt. 
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