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Volltext: Orientalisierende Gläser

erkennen an der böhmischen Industrie so recht den Einfluß der Residenz und was den 
Wiener Geschmacksbestrebungen nahe steht. Was ihrfern gebliben ist, fällt auch weit 
ab an ästhetischem Werth. 
Das Wesentliche des böhmischen Glases besteht darin, daß sein Material geschliffe 
nes Glas ist, daß es an Reinheit und Farblosigkeit dem ächten Krystall am nächsten 
kommt, und daher seine ästhetische Eigenthümlichkeit auf genaue, scharf geschlif 
fene Form und geschliffene Ornamentation zu gründen hat. Es hat auch also begon 
nen, indem es im 17. und 18. Jahrhundert den ächten Krystall nachahmte, hat aber 
diese Weise verlassen, indem es sich auf bunte Farben und auf Malereien in Nachah 
mung des Porzellans warf. Beide Arten, weiche für die erste Hälfte des neunzehnten 
Jahrhunderts den Kunststil abgaben, sind verwerflich, wenigstens so wie sie waren, 
und führten zur Vernachlässigung der Form. Die nordböhmischen Fabriken stehen 
zum großen Theil noch auf diesem Standpunkt, und im Bemühen, ihn zu verlassen, ver 
fallen sie mitunter auf Absonderlichkeiten, wie z. B. wenn sie antike Thongefäße mit all 
ihrer Farbe und Zeichnung in Glas imitiren. Der Anblick ist nur schmutzig - unange 
nehm. Einige Fabriken, wie z. B. die von Anton Pelikan, legen noch allen Werth auf die 
Malerei und glauben aller Kunst mehr als Genüge gethan zu haben, wenn sie Vasen 
und sonstige Gefäße von weißem, porzellanartigem Glase mit wohlausgeführten 
Köpfen und Brustbildern von schönen Frauen, mit Genrebildern und dergleichen 
schmücken. Ist das schon in gewisserWeise auf Porzellan verfehlt, so noch mehr aus 
Glas. Es ist hohe Kunst am Unrechten Ort, sicherlich nicht Geschmack. 
Man muß den Geschmack und die Geschmacksform auf die Eigenthümlichkeit des 
Glases gründen und nicht auf eine ihm fremde Kunst, die zur Deckung herbeigezogen 
wird. Das Krystallglas muß als klarer Krystall behandelt werden und das klar geschlif 
fene Ornament ist seine eigenste Weise. Man kann auch hierin irren, wie es z. B. die 
Gefäße mit Jagdscenen von Thomas Wolf machen, welche den Schliff in facettirte 
Gefäße so tief und unregelmäßig eindringen lassen, daß alle Form zerstört wird. Dies oft 
verurtheilte Genre erscheint leider immer wieder. Den richtigen Weg in dieser Bezie 
hung hat mit dem glänzendsten Erfolge Ludwig Lobmeyr eingeschlagen, zum Theil in 
Verbindung mit Meyr’s Neffe in Adolf, dessen ausgezeichnetes Material von vollkom 
menster Reinheit seinen Bestrebungen zu Hilfe kommt. Künstler wie Storck, Hansen, 
Teirich, Laufberger stehen mit Rath und Entwürfen zur Seite; viele ältere Motive, welche 
die Sammlungen des österreichischen Museums geliefert haben, sind in bewunderns 
würdiger Weise zugleich mit Freiheit benützt worden. Bei Lobmeyr’s Arbeiten ist durch 
gängig das Bestreben erkennbar, dem Gefäß edle Form zu geben, das Ornament in 
schöner Zeichnung zu halten und dem Gegenstände anzupassen. In dieser Beziehung 
ist das sogen. Kaiserservice, das auf Initiative des österr. Museums entstanden und von 
Storck entworfen und gezeichnet ist, wohl die schönste Arbeit, die in unseren Tagen in 
Krystallglas ausgeführt worden, die englischen Leistungen nicht ausgenommen. Die 
schöne geschwungene Form tritt namentlich auch bei Lobmeyrs Krystalllüstern 
hervor, bei denen man bisher nur auf den Glanz und das Lichterspiel des Glases zu 
sehen gewohnt war, und ebenso bei den farbigen Gläsern, die bisher durch ihre 
plumpen Formen fast verrufen waren. Eine Reform that hier doppelt noth. Lobmeyr 
hat sie verschiedentlich angefaßt und seine Ausstellung zeigt in dieser Beziehung eine 
große Anzahl Neuerungen, von denen manche, an ältere Vorbilder sich anlehnend, 
entschieden glücklich sind. Die Art, wie das Alte hier benutzt und verwerthet worden, 
ist sehr lehrreich und zeigt, wie richtig es ist, auf die Vorbilder der Vergangenheit zur 
Reform unseres Geschmacks hinzuweisen. 
Lobmeyr beherrscht entschieden mit seinen Bestrebungen die neue Richtung, aber es 
treten ihm andere österreichische Fabrikanten selbstständig und auch glücklich zur 
Seite. Dies sind vor allem B. Ullrich und Schreiber & Neffen. Ersterer ist sehrauf Neue- 
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