rothen oder matten Decorationen werden durch eine Art lithographischen und typo
graphischen Druck hergestellt und sind in mancherlei Weise zur Vrerzierung im Hause
verwendbar, es ist aber die Frage, ob ihr Verfahren nicht durch eine neue amerika
nische Erfindung alsbald antiquirt sein wird. Diese Erfindung, das Sandgebläse, leistet
dasselbe schnell, genau und tief, indem eine Maschine Sand gegen die Tafel blaset und
sie dadurch nach bestimmter Zeichnung ausschleift. Die Sache ist neu und über
raschend; wie weit sie die alten Methoden ersetzen kann und wird, muß sich erst
zeigen. Die Maschine arbeitet auf der Ausstellung.
Allen diesen verschiedenen Glasarbeiten, den böhmischen wie den englischen, und
was ihnen in Art und Decoration folgt, stellt sich das italienische oder speziell das vene-
tianische Glas, dessen Hauptfabriken sich jetzt wie von Alters her auf der Insel Murano
befinden, als eine andere Art mit voller Eigenthümlichkeit gegenüber. Die venetia-
nischen Fabriken vertreten das geblasene Glas gegenüber dem geschliffenen Glas der
übrigen Welt, womit freilich nicht gesagt sein soll, daß das eine Glas nicht geschliffen,
das andere nicht geblasen wird, sondern ihr Kunststil beruht auf der consequenten
Durchbildung der einen oder der andern Technik, in Verbindung mit der Beschaffenheit
des Materials. Das venetianische Material ist unendlich leichter und die Technik erfor
dert von Seiten des Arbeiters eine außerordentlich geschickte Hand und ein formver
ständiges Auge, da er, man möchte sagen, mehr nach der Idee als nach der Schablone
arbeitet. Das Gelingen liegt buchstäblich in seiner Hand.
Die alten venetianischen Glasarbeiten, insbesondere die reizenden, edelgeformten, oft
unendlich einfachen Trinkgläser sind jedem Kunstfreunde und Sammler bekannt; sie
sind es auch, welche den Anstoß zu der gegenwärtigen Art des venetianischen Glases
gegeben haben. Der ganze heutige Kunstzweig, wie wir ihn in seiner Eigenart, in
seinem Reichthum und seiner Vielseitigkeit auf der Wiener Ausstellung sehen, ist
durch Nachahmung entstanden, aber heute ist dieser Standpunkt der Nachahmung
weit überschritten, und das nordalpinische Glas ist es bereits, welches in seiner Form
den Einfluß des modernen Muraneser verspüren läßt.
Wir müssen hier, wie wir es schon wiederholt gethan haben, das Verdienst des Mannes
anerkennen, der den ersten Anstoß gegeben hat und noch heute stets auf Erweiterung
seines Kunstzweiges bedacht ist, des Dr. Salviati. Der Anfang zur Wiedererneuerung
geschah mit der Restauration der mittelalterlichen Glasmosaiken an den Wänden und
in den Kuppeln von San Marco, aus welcher Restauration sich heute ein Decorations-
zweig entwickelt hat, der in Kirchen und anderen Bauten (besonders in England)
bereits eine großartige Verwendung findet. Die Ausstellung von Salviati & Co. zeigt
seine Technik, seine Schönheit wie seine Vielseitigkeit. Sodann ging es an die Wieder
erweckung aller der Glasgegenstände, welche zum häuslichen Gebrauche für Tisch
und Tafel, sowie zur Beleuchtung dienen, und zwar nicht bloß in Bezug auf jene
leichten, eleganten und edlen Formen, förderen Gefühl und Verständnis erst Auge und
Hand des Arbeiters erzogen werden mußten, sondern auch aller der verschiedenar
tigen Technik, die in dem alten Millefiori, in dem netzartigen Filigranglas, in der Nachah
mung der Edelsteine und Halbedelsteine enthalten ist. Die Ausstellung zeigt, in wie
reichem Maße das alles gelungen ist. Dabei hat es sich denn freilich auch ereignet, daß
die wachsende Geschicklichkeit zu überkünstlichen Gebilden geführt hat, die mit der
Schönheit nicht mehr vereinbar sind. Dies gilt zum Theil auch von den Lüstres und den
Spiegeln oder vielmehr den Spiegelrahmen. Die alten venetianischen Giaskünstler
vom sechzehnten und noch vom siebzehnten Jahrhundert zeigen mit ihren geschwun
genen Armen, ihren in die Höhe schießenden Blumen, wie alles andere Geräth dieselbe
Eleganz der Bildung, dieselbe Schönheit der Linien und der Verhältnisse, welche zu
Grunde gingen, als von der Mode die Krystallüstres eingeführt wurden. Wir finden diese
Vorzüge auch heute wieder, nur oftmals mit Ueberladung gepaart, welche sie nicht zur
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