ORIENTALISIERENDE MALEREI MIT EMAILFARBEN
In einem ausführlichen Beitrag über Glasfarben (vollständig abgedruckt im Anhang)
widmet Emil Adam den „Glasschmelzfarben“, den „Mattfarben“ und den „Glas-Email
farben“ sowie ihren Rezepturen besondere Aufmerksamkeit.
Emil Adam, geboren am 23. April 1859 in Würbenthai (Schlesien), gestorben am 25. Ok
tober 1918, „war als Lehrerder k. k. Fachschule inTetschen mit der Erteilung des Unter
richtes im halbjähr. Fachkurse für Chemie von 1886 bis 1890 betraut und ist gegenwär
tig Professor am ehern. Laboratorium der k. k. Kunstgewerbeschule in Wien“ (Gedenk
schrift Steinschönau 1906, S. 13-14). An der Wiener Kunstgewerbeschule war Emil
Adam - laut Mitteilung der Hochschule für angewandte Kunst in Wien (März 1981) - von
1890 bis 1891 als Adjunkt im Chemischen Laboratorium (Praktikum zurTechnologieder
Metalle; Gewerbliche Chemie; Praktisch-keramischer Kurs; Chemisch-technischer
Kurs; Chemisches Laboratorium) tätig.
Die Glasfachschulen von Haida und Steinschönau stellten im vierten Viertel des
19. Jahrhunderts ebenfalls orientalisierende Gläser her, für die die Technik der Malerei
mit Emailfarben eine Voraussetzung war. Den Anstoß für diese Art von Gläsern dürfte in
Österreich Ludwig Lobmeyr gegeben haben (s. Abb. 38, 39, S. 88, 89).
In der Adaptierung orientalischer Dekore und ihrer Technik ging der Franzose Brocard
Lobmeyr voran: er hatte bereits 1867 auf der Pariser Weltausstellung seine mit Email
farben dekorierten Moscheeampeln präsentiert (Abb. 19, S. 54). Brocard hatte wohl als
einer der ersten auf eine sehr alte Technik zurückgegriffen: „In Persien und Arabien ver
stand man es im Mittelalter, wahrscheinlich aus uralter Tradition her, das Glas mit
Emailfarben zu bemalen, und bewährte in der Wahl der Ornamente und Farben auch
wieder den feinen Sinn, die absolute Sicherheit, welche den Orientalen in jeder Flä
chendekoration auszeichnet. Derartige Stücke, welche in Kirchenschätzen aufbe
wahrt, jetzt zu den höchsten Seltenheiten unserer Sammlungen gehören und weiche
auch im Oriente selbst als Alterthümer in hoher Schätzung stehen, sind die Vorbilder
für moderne Arbeiten geworden. Die Franzosen, welche von farblosem Glas wenig oder
nichts ausgestellt haben, stehen mit ihren emaillirten Glaswaren obenan. Die Stücke
von Brocard in Paris haben sich die Lehre, welche man aus den orientalischen Vorbil
dern ziehen kann, vortrefflich zu Nutze gemacht und übertreffen die emaillirten italieni
schen Gläser weitaus. Geschickte Arbeiten dieser Art sind auch von Rußland einge
gangen...“ (Lessing 1874, S. 215).
Ludwig Lobmeyr rühmt in seiner Publikation von 1874 die Brocard’schen Gläser
(s. auch Abb. 36, 37, S. 86, 87) in einem Ausmaß, welches vermuten läßt, daß solches
Lob durch übergroße Bescheidenheit zur Ungerechtigkeit in der Bewertung eigener
Arbeiten führte: „So kam es, dass mit besonderen Hohlglasartikeln nur ein Glasmaler
aus Paris, Ph. Brocard, gekommen war. Er brachte arabische Moscheeampeln, Becher
und Schalen im Renaissancestyle etc. mit vielfarbigem Email, künstlerisch und tech
nisch so ausgezeichnet und geschickt ausgeführt, dass dieselben als das Schönste
dieser Art in der Ausstellung zu bezeichnen waren und auch die ähnlichen russischen
und österreichischen Arbeiten übertrafen.“ (Lobmeyr 1874, S. 180).
Da dieses Urteil Lobmeyrs immer wiederzur Beweisführung dafür herangezogen wird,
daß Brocards Schöpfungen unerreichbar waren, sei auf die Relativität solcher Aus
sagen und auf die Umstände, wie sie zustande kamen, hingewiesen. Ludwig Lobmeyr,
von außerordentlicher Bescheidenheit und Vornehmheit, war gewiß der letzte, sich
selbst zu loben, und so finden wir in seiner Publikation zwar zahlreiche Informationen
über andere Glasfabriken, wenig jedoch über die eigene Firma. Ausschlaggebend soll
te für uns - so interessant zeitgenössische Urteile auch sein mögen - zur Qualitäts
beurteilung nur das Objekt selbst sein.
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