EINFÜHRUNG
Die Vielfalt der Glasproduktion von 1905 bis 1925 aus dem Bereich der österreichisch
ungarischen Monarchie bzw. deren Nachfolgestaaten scheint nahezu unerschöpflich zu
sein. Nicht zuletzt deshalb dürfte sie sich auch weiterhin einem einheitlichen Stilbegriff
entziehen: vom dünnwandig geblasenen, undekorierten Hohlglas zum massiven Kristall
glas mit Tiefschliff, vom klar abgesetzten Ziersaum mehrfacher Überfänge zu vielfarbi
gen Oberflächen mit Teiiätzungen, vom flächendeckenden Edelschwarz zur dünnlinigen
Federzeichnung, von opaker Malerei zum leuchtenden Schmelz des Transemail, vom
aushöhlenden Schliff zu zartem Figurenschnitt reichen die unzähligen Spielarten von
Form, Technik und Dekor, hier nur andeutungsweise aufgezählt. Dem Farbspiel im
wechselnden Licht, das viele Gläser ständig zu verändern scheint, kann die einmalige
Betrachtung ebenso wenig gerecht werden wie die einzelne Abbildung. Leuchtet im
Auflicht das Gold, so weicht es im Durchlicht der Eigenfarbe der Glasmasse; stellt sich
beim dunklen Farbglas im Auflicht die Form rein dar, so glüht das Kunckel-Rot im Spitz-
licht und im farbigen Schatten des Durchiichts.
Der kostbaren Vase als Einzelstück steht das geschliffene Tafelservice gegenüber; in
der Garnitur dominiert das zentrale Glas über die Trabanten: Bowlegarnituren, Likörser
vice, Bierservice etc.
Verschiedene Herstellungstechniken - Überfang, Beizung, Malerei - transformieren glei
che Grundformen in Variationen, die bis auf dieselbe Ausgangsform des Rohglases
kaum Gemeinsames zu haben scheinen.
Stilistische Vereinfachungen sollen hier nicht stattfinden. Dennoch sei hingewiesen auf
Reminiszenzen des Jugendstils in den Unterfanggläsern mit „gestrichenem Dekor
(dem „Melusin-Gias“ von Loetz), dem reinen Art Deco im Farb-Zickzack einer Opakma
lerei (Kriegsglas von Josef Hoffmann), dem ornamentalen Horror Vacui aus Schwarz-
Gold in einer phantastischen, orientalisch anmutenden Ornamentik (Federzeichnungen
von Karl Massanetz). Im Gegensatz dazu steht die „Form ohne Ornament“, das undeko-
rierte Glas im glatten Schliff (J. & L. Lobmeyr).
KRITERIEN DER KATALOGISIERUNG
Die regionalen Grenzen waren durch die spezifische Eigenart der Sammlung vorgege
ben, die zeitlichen durch die Jahre 1905 und 1925 gesetzt. Eine weitere Differenzierung
durch eine alphabetische Ordnung nach Glasfabriken oder entwerfenden Künstlern war
kaum ratsam; die Reihung nach Fabriken hätte eine nicht realisierbare Trennung in Roh
glaserzeuger und Raffineure erfordert, und für viele Gläser sind keine Entwerfer überlie
fert. Von einem beachtlichen Teil der Sammlung kennt man Glasverleger, aber nicht
Glaserzeuger. So blieben die Kriterien der Herstellungs- und Veredlungstechnik als pro
bate Mittel zur Gliederung, die innerhalb der einzelnen Blöcke eine gewissen Chronolo
gie mit sich bringt.
QUELLEN
Die verwendeten zeitgenössischen Quellen waren in ihrer Art sehr unterschiedlich, ein
mal die manchmal korrektur- und meist ergänzungsbedürftigen Inventareintragungen,
dann Entwürfe und Werkzeichnungen (besonders der Firmen J. & L. Lobmeyr, Wien, E.
Bakalowits, Wien, sowie der Wiener Werkstätte), zeitgenössische Fachzeitschriften
(Studio, Deutsche Kunst und Dekoration, Dekorative Kunst, Kunst und Kunsthandwerk
etc.) und Kataloge (vor allem die bedauerlicherweise nicht bebilderten Ausstellungska-
12