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Volltext: Josef Hoffmann - Bestecke für die Wiener Werkstätte

„DER GEDECKTE TISCH“ - 
EINE AUSSTELLUNG DER WIENER WERKSTÄTTE (HERBST 1906) 
IM SPIEGEL ZEITGENÖSSISCHER KOMMENTARE 
Im Oktober 1906 wurde von der Wiener Werkstätte eine Ausstellung zum Thema „Der 
gedeckte Tisch“ gestaltet; sie erregte Aufsehen, in positiver und negativer Hinsicht. Man 
lobte und verwarf, kritisierte, ironisierte und erging sich in Wortfechtereien. Für viel Auf 
regung sorgte die knieende Knabenfigur von Georg Minne, und das Hoffmann’sche 
Besteck („flaches Modell“, vgl. Kat. Nr. 13 ff.) war den meisten ein Stein des Anstoßes. Die 
Heftigkeit dieser Kritik ist vielleicht gerade deshalb ein Maßstab für das Neue, das Hoff 
mann mit diesem Besteck schuf. Die WienerWerkstätte sammelte und archivierte die zeit 
genössischen Berichte; sie seien wegen der Lebendigkeit ihrer Darstellung, wenn diese 
auch einseitig sein möge, hier zum Teil wiedergegeben. 
Im „illustrierten Wiener Extrablatt“ vom 14.10.1906 stand zu lesen: 
„Die .Wiener Werkstätten' wollen nun eine Reihe von Ausstellungen veranstalten, die, von 
Vortragsabenden unterbrochen, die kunstgewerblichen Absichten der Leiter der Anstalt, 
also Josef Hoffmann’s, Kolo Moser’s und Czeschka’s, der sich den beiden Ersten jüngst 
zugesellt hat, noch bekannter und deutlicher machen sollen, als sie es jetzt schon sind. 
Den Anfang macht nun eine Ausstellung unter dem Namen .Der gedeckte Tisch'. Es ist 
eine Art Collegs in Form von Musterbeispielen über die Kunst des Servirens und Anrich 
tens, also über die Verfeinerung der Tafelfreuden durch den Anblick eines modern und 
künstlerisch gedeckten Tisches. Daß in der Sache ein künstlerisches Problem steckt, ist 
nicht zu bestreiten; man hat sich nicht umsonst zu allen Zeiten darüberden Kopf zerbro 
chen, wie man’s machen soll, daß auch auf dem gedeckten Tische Alles frisch und neu, 
und mit Bedeutung auch gefällig sei. Nun versuchen Moser und Hoffmann auf ihre Art das 
Problem zu lösen, Alles, was auf den gedeckten Tisch gehört, Schaustück und Geräth, 
soll nach modernen Anschauungen entworfen, angeordnet und aufgelegt sein. In dem 
langen, weiß und schwarz einfach ausgestatteten Saale sind etliche gedeckte Tafeln auf 
gestellt, wie sie verschiedenen Anlässen entsprechen. Ein Künstlertisch, ein Frühstücks 
tisch, eine Hochzeits-, eine Jubiläumstafel. Alles mit jenem aparten Geschmack Hoff 
mann’s und Moser’s, den man ja kennt, entworfen und ausgeführt. Tisch fürTisch bietet 
in derThat einen höchst anziehenden, eleganten und freundlichen Anblick. Schön styli- 
sirte Tafelaufsätze, Träger von Blumengewinden, daran natürlich, wie bei Allem, reichliche 
Verwendung von Moser’s Quadratornament. Der Künstlertisch trägt überdies als separa 
ten Schmuck eine von Georg Minne’s hageren Brunnenfiguren; es sieht so aus, als bäte 
der abgezehrte, knieende Herr flehentlich um einen Brocken von der üppigen Tafel. Viel 
hübscher ist der Schmuck der Jubiläumstafel: Acht von Luksch entworfene, reizende 
Tänzerinnen aus vergoldetem Porzellan, Jede mit einerSanduhr in derHand, an die Flüch 
tigkeit der Zeit erinnernd. Teller mit einfachem schwarzen Decor, silberne oder goldene 
Messer, Löffel, Gabeln von schmaler, schlanker Form; sie sehen sehr hübsch aus, aber 
darüber, ob sie auch ihrem Zweck entsprechen, ob man damit essen kann oder ob sie nur 
hübsch sind, wird es wohl starke Meinungsverschiedenheiten geben. Reizend sind ferner 
Moser’s Gläser, in vielen, aber immer geschmackvollen Varianten. Dann Obst- und Back 
werkkörbe, Sectkühler, Serviettenbänder, ein Theeservice etc., Alles in einheitlicherSty- 
lisirung. Dann ein höchst anmuthiger Geburtstagstisch mit Lichterkuchen, Blumen und 
Spielzeug. Natürlich Alles aus gutem Material und in sorgfältiger Ausführung. Man versi 
chert, daß sogar das Gebäck, die Semmeln und Salzstangeln, sich eine Umstylisirung in’s 
Moderne gefallen lassen mußten, die Moser entworfen hat. Dies wäre aus dem Grunde zu 
loben, weil dieser Bestandtheil des modernen .gedeckten Tisches' vielleicht auch für 
Minderbemittelte zu erschwingen wäre. Die anderen schönen Sachen haben nämlich 
sehr hoch stylisirte Preise.“ 
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