BESTECK „FLACHES MODELL“ (AB 1903)
Ein Besteck von Josef Hoffmann, dessen älteste Teile wohl im Jahre 1903 entworfen
wurden, ist auf einem Photo aus dem Nachlaß der Wiener Werkstätte abgebildet (Abb. 12).
Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um den ersten Besteckentwurf, den Hoff
mann fürdie WienerWerkstätte schuf. Wie schon die von derWienerWerkstätte selbst ge
prägte Bezeichnung „flaches Modell“ ausdrückt, sind Griffe und Stiele der Einzelteile
flach geformt; an ihren unteren Enden stellen vier aneinandergereihte Kugeln das einzige
dekorative Element dar. Im Gegensatz zu den Messern, deren Griffe und Klingen vonein
ander durch eine horizontale Trennung abgesetzt sind, erfolgt keine Teilung zwischen
Griff und Kelle derGabeln; die Gabelzinken sind in die gerade Silhouette der Außenkanten
eingebunden (bei den frühen Tafel-, Dessert- und Fischgabeln; bei späteren Varianten
sind die Gabelzinken - wie beim „runden Modell“ - leicht abgesetzt. Solch spätere Ver
änderungen sind z.B. bei der Fischgabel, Abb. 23, 24, festzustellen).
Bei den verschiedensten Löffeltypen bzw. Suppenschöpfer verjüngt sich, wie bei
Messern und Gabeln, der flache Stiel nach oben; dort setzt dann die runde oder ovale
Form der Laffe an. In diesen Formzusammenhang gehört auch die Salatgabel, die dem
Salatlöffel angeglichen wird. Der Spargelheber stellt eine Sonderform dar.
Dieses Besteck, wiewohl schon ab 1903 entworfen, wurde erst 1906 im Rahmen einer
Ausstellung mit dem Titel „Der gedeckte Tisch“ (in den Räumen der Wiener Werkstätte)
einer breiten Öffentlichkeit bekannt (Abb. 1-9). Die Reaktionen auf das bei dieser Gele
genheit gezeigte Besteck waren nahezu einhellig ablehnend.
Vergleicht man das Hoffmann-Besteck „flaches Modell“ mit den im ersten Jahrzehnt des
20. Jahrhunderts üblichen Besteckformen, so ist diese Ablehnung erklärbar. Ein stärke
rer Kontrast als jener zwischen den meist vom Ornament des Historismus oder des flora
len Jugendstils geprägten Bestecken und dem Hoffmann-Besteck ist kaum denkbar.
Dem „Hamburger Fremdenblatt“ (17.10.1906) war dieses Besteck unheimlich: „...Aber
da ist auch das Besteck. Und das Besteck, dessen geringster Fehler es sein mag, daß es
gar nicht so aussieht, als ob es eines wäre - ist unheimlich. Wahrhaftig, es erinnert an
anatomische Werkzeuge und würde sicherlich manchem durch die Erinnerung an den
Seziersaal den Appetit verderben. Man hätte mit der bisherigen Form brechen können,
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Abb. 12. Besteck „flaches Modell“, Entwurf 1903/1904, mit Angabe der Werknummern (S-Nummern) und derSei-
tenzahlen aus verschiedenen Bänden der Wiener Werkstätte. - Österreichisches Museum für angewandte
Kunst, Photo Archiv Wiener Werkstätte
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