Kügelchen? Nur damit man wisse, an welcher Seite man diese rätselhaften Dinge anfas
sen muß? Oder sollte hier doch ein Bedürfnis nach .zweckloser' Ornamentierung im
Unterbewußtsein mitgespielt haben? Zweifellos sind die Vertiefungen zwischen diesen
perlenförmigen Aufsätzchen ebensolche Schmutzfänger, als es etwa ein deutlicher
Einschnitt zwischen Handhabe und Schaufel oder Klinge wäre. Und am Ende ist doch ein
Besteck in erster Linie dazu da, um damit zu essen, nicht um es zu putzen. Daß diese
Werkzeuge uns, die wir an die veralteten Formen von Messer und Gabel gewöhnt sind,
nicht bequem in der Hand liegen können, sieht man ihnen an. Man kann sich vielleicht
daran gewöhnen - man gewöhnt sich ja an alles. Der Chinese ißt mit glatten Stäbchen,
und die Jongleurgeschicklichkeit, die ihre Handhabung erfordert, ist ihm geläufiger
geworden als die uns so natürlich erscheinenden Handgriffe, die der Abendländer beim
Essen anwendet. Aber sollen wirdarum, weil die Stäbchen appetitlich aussehen, weil ihre
Form ganz .materialentsprechend' ist (Holz oder Elfenbein), weil sie leichter zu reinigen
sind, mit Stäbchen essen?“
Die erhaltenen Unterlagen aus dem Nachlaß der Wiener Werkstätte auswertend, sind wir
wohl zu der Annahme berechtigt, daß die einzelnen Modelle des Besteckes „flaches
Modell“ eher zu Dutzenden als zu Hunderten hergestellt wurden; das Material war meist
Silber, in Ausnahmefällen vergoldetes Silber.
Im Band S 5 aus dem Archiv der Wiener Werkstätte sind folgende vergoldete Besteckteile
angegeben, leider ohne begleitende Zeichnung, sodaß wir nicht wissen, um welchen
Typus es sich handelt (es könnte ebensogut das „flache Modell“ wie das „runde Modell“
oder das „Modell mit Perlmuster“ damit gemeint sein):
S 961 Tischmesser vergold.
S 962 Tischgabel vergold.
S 963 Suppenlöffel vergold.
S 964 Fischmesser vergold.
S 965 Fischgabel vergold.
S 966 Dessertgabel vergold, (später hinzugefügt: 1909)
S 967 Dessertmesser vergold.
S 968 Dessertlöffel vergold, (später hinzugefügt: 1909)
S 969 Obstmesser vergold.
S 970 Tee(Kaffee)löffel vergold.
Die wohlfeilere Variante aus versilbertem Alpaka ist, im Gegensatz zu anderen Bestecken
Hoffmanns für die Wiener Werkstätte, für das „flache Modell“ im Original nicht bekannt
geworden, doch sind die Werknummern für entsprechende Alpaka-Teile in den Archiva
lien enthalten.
Zum kleinen Kreis jener, für die dieses Besteck angefertigt wurde, gehörten neben Fritz
Waerndorfer auch Josef Hoffmann und Kolo Moser. Eine mit 29. 5.1905 datierte Zusam
menstellung eines Eßbestecks für Kolo Moser und Josef Hoffmann lautet: „Essbesteck m.
Monogr. JH KM bestehend aus: 2 gross. Messern, 2 gross. Gabeln, 2 gross. Loeffeln, 2
klein. Gabeln, 2 klein. Loeffeln... Prof. Hoffmann - Moser.“
Als Abnehmer (wohl in Kommission) werden in den Unterlagen der Wiener Werkstätte
auch das Hohenzollern-Kunstgewerbehaus H. Hirschwald in Berlin und die Galerie
Miethke in Wien angegeben.
Im Österreichischen Museum für angewandte Kunst befinden sich Teile des Bestecks,
das in der Wiener Werkstätte für Lilly und Fritz Waerndorfer angefertigt wurde. Es ist mit
dem Tula-Monogramm LFW bezeichnet (Abb. 14) und stellt, wie wir dem Vergleich mit ei
nem Photo aus dem Archiv (Abb. 12) und zwei erhaltenen Besteckteilen (Abb. 13) entneh
men, eine Veränderung gegenüber den ursprünglichen Formtypen dar. Vielfach nähert es
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