VORWORT
Mit der Publikation über die „Originalkeramiken der Wiener Werkstätte 1920-1931“
(erschienen 1980) konnte bereits ein Bereich der Wiener Werkstätte nahezu vollständig
erfaßt werden. Die kontinuierliche wissenschaftliche Bearbeitung derWiener-Werkstätte-
Bestände am Österreichischen Museum für angewandte Kunst ist ein sehr umfangrei
ches und vielschichtiges Forschungsvorhaben, das nur in Abschnitten realisiert werden
kann.
Als das Ausstellungsprojekt der „Jugendstilbestecke“ aus der Sammlung Giorgio Silzer,
Berlin, an das Österreichische Museum herangetragen wurde, lag es nahe, auf den ent
sprechenden Bestand des Museums zurückzugreifen und ihn - wenigstens teilweise -
zu präsentieren.
Wenigeraus der Zahl der vorhandenen Bestecke, als aus den im Archiv derWienerWerk-
stätte erhaltenen Entwürfen, die sich heute im Österreichischen Museum befinden, ergab
sich die Notwendigkeit einer Einschränkung, da Josef Hoffmanns Besteckentwürfe für
die Wiener Werkstätte sehr zahlreich waren und es wichtig schien, sie so vollständig wie
möglich zu katalogisieren. Neben Hoffmann schufen auch Czeschka, Prutscher, Wimmer
undZimpel Besteckentwürfe fürdieWienerWerkstätte; diese Entwürfe seien einer späte
ren Publikation Vorbehalten.
Viele Einsichten, die sich aus der Arbeit an den Hoffmann-Besteckentwürfen ergaben,
mögen auch für andere Bereiche der Wiener Werkstätte bedeutsam sein; so stellte es
sich heraus, daß keineswegs alle mit dem charakteristischen Hoffmann-Monogramm
(eigenhändig!) versehenen Zeichnungen auch tatsächlich Hoffmann-Entwürfe waren
und daß auch - was noch merkwürdiger berührt - manche ausgeführten Besteckteile mit
der Hoffmann-Punze ebenfalls nichts mit Josef Hoffmann zu tun haben.
Ersteres erklärt sich aus der Stellung Josef Hoffmanns an der Wiener Werkstätte, wo er ja
nicht nurals künstlerischer Mitarbeiter, sondern als ein künstlerischer Leitertätig war und
daher auch die ihm notwendig erscheinenden Korrekturen vornahm, wie z. B. an einem
Zimpel-Besteck. Das korrigierte Zimpel-Blatt bezeichnete er dann mit seinem Mono
gramm, und in der Folge wurde dieses Blatt irrtümlicherweise den Hoffmann-Entwürfen
zugeordnet.
Viele von anderer Hand stammende Zeichnungen nach Hoffmann-Entwürfen versah man
- als Kennzeichen, keineswegs als Signatur - mit dem Hoffmann-Monogramm.
Ausgeführte, mit der Hoffmann-Punze versehene Bestecke, die jedoch nicht von Hoff
mann entworfen wurden, begegnen - hoffentlich - nur in Einzelfällen; ein Kinderbesteck
von Eduard Josef Wimmer, dessen Entwurf mit EJW-Monogramm eigenhändig signiert
worden war, figuriert in manchen Publikationen als Hoffmann (auch im „Studio“ ist dieses
Besteck als Hoffmann-Entwurf abgebildet). Wie kommt nun eine JH-Punze auf ein Wim
mer-Besteck? Des Rätsels Lösung ist denkbar einfach und einer glücklicherweise erhal
tenen Karteikarte aus dem Nachlaß der Wiener Werkstätte zu verdanken. Auf ihr findet
sich der lapidare Vermerk: „Da keine Stanze E. W. vorhanden, mit J. H. signiert.“
Es stellt sich nun die nicht unberechtigte Frage, wie oft man in der Wiener Werkstätte in
ähnlich gelagerten Fällen ebenso verfuhr und was nun alles fälschlicherweise als Hoff-
mann-Schöpfung gilt.
Unter diesem Aspekt war bei der Bearbeitung der Hoffmann-Besteck-Entwürfe besonde
re Vorsicht geboten. Gegenkontrollen waren in vielen Fällen möglich, da verschieden
artige Unterlagen zur Verfügung standen. Stimmten die Angaben auf den Entwürfen bzw.
Umzeichnungen mit jenen in den Silber- bzw. Metallbänden derWienerWerkstätte sowie
in den Photobänden überein, so konnte man der Zuschreibung an Josef Hoffmann wohl
sicher sein.
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