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Abb. 276. Henkelschale mit Deckel; Wiener Porzellan
manufaktur Augarten; unterglasurblaue Augartenmar
ke, in Rot auf der Glasur: 108/6606 9; H 10,3 cm. -
Wiener Privatbesitz
Abb. 277. Henkelschale, Wiener Porzellan (Periode
Du Paquier), H 7,3 cm. - ÖMAK Inv. Ke 6096
Deckels und Mundrandes durch ein genaues Ineinanderpassen ersetzt; die durch zahlreiche
Unreinheiten der Glasur charakterisierte Oberfläche des Du-Paquier-Porzellans erscheint
bei Augarten in reinem Weiß. Der beim alten Porzellan stärker in den Deckel eingesunkene
Knauf wurde leicht erhöht und dadurch „griffiger” gemacht. Kleine Unterschiede in der Form
zeigen sich auch in den Henkeln, die beim Olliotopf des 18. Jahrhunderts kantiger und in der
äußeren Silouette stärker zur Mitte eingeschwungen sind, während jene der Augarten-Imita
tionen wieder regelmäßiger und eleganter scheinen. Gerade die kleinen Unvollkommenhei
ten des Du-Paquier-Porzellans, die asymmetrischen Einzelmotive, Glasurfehler, Brandrisse,
die wellige Oberfläche, entstanden durch verschieden dicke Glasurschichten, sind aber dem
Liebhaber alten Wiener Porzellans als Echtheitszeichen kostbar, ebenso die skizzenhaft hin
geworfenen Eisenrot-Ornamente, die bei Augarten einem exakt gezeichneten, regelmäßigen
Ornamentband weichen, wie denn die ganze Oberfläche eine Kühle und Eleganz ausstrahlt,
die das nuancierte, immer ein wenig getönte Du-Paquier-Porzellan nicht kennt, das im Ge
genteil durch viel wärmeren Ton und einer großartigen Improvisiertheit, Skizzenhaftigkeit,
Lebendigkeit der Pinselführung charakterisiert ist. Bei der Staffierung eines Du-Paquier-
Reliefs zittert die Linie den schmalen Steg entlang, werden reliefierte Voluten von dünner und
dicker werdenden Linien gehöht, sind Vogelbeine, Krallen und Schnäbel locker und unbe
kümmert staffiert, ist die große Einzelblüte ein duftiges, fast impressionistisches Gebilde von
großer Räumlichkeit.
Bewunderswert hingegen die Hand des Augarten-Malers, der so sicher durchgehende Linien
pinselt, die einzelnen Blütenblätter der Rosette in einem Zug umrandet und sie stilisiert zu
einem Gebilde, das sich gerade dadurch von der Du-Paquier-Blüte stark unterscheidet. Die
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