MAK

Volltext: Wiener Porzellan: Original, Kopie, Verfälschung, Fälschung

koriren lassen. Gegenwärtig benutzt die Anstalt für Porzellanmalerei Rädler & Pilz in Wien die 
alte Marke der kaiserlichen Fabrik, den österreichischen Bindenschild, von den Händlern, der 
Bienenkorb’ genannt, und wenn sie selbst auch ihr Fabrikat als neu in den Handel bringt, so 
ist doch andern Leuten dadurch der Betrug schon bequem gemacht...” 
Eine gewisse Rechtsunsicherheit im späten 19. Jahrhundert führte vermutlich zu den Doppel- 
und Dreifachregistrierungen der „Bienenkorb-” Marke. 
Der Streit um Bindenschild und Bienenkorb, Registrierbarkeit und Nichtregistrierbarkeit der 
Marke dürfte in Wien zu keiner endgültigen Entscheidung geführt haben. Jedenfalls ist mir 
nach der letzten ,,Bienenkorb”-Registrierung durch Knoll im Jahre 1893 keine weitere Regi 
strierung dieser Marke bekannt. Es hat den Anschein, als wäre diese Marke durch die vielen 
bestehenden Unstimmigkeiten zum „heißen Eisen” geworden, das niemand gerne anrührte. 
Selbst Franz Dörfl, ein Wiener Porzellanmaler, der 1884 eine bindenschildähnliche Marke 
(mit drei statt zwei Querstrichen) registrieren und 1894 erneuern ließ, meldete 1902 eine 
völlig andere Marke an. Entweder ließ man die dem Bindenschild zu ähnliche Marke nicht 
mehr zu, oder es bestanden bei seriösen Porzellanmalern doch Bedenken gegen eine miß 
bräuchliche Verwendung der alten Marke. 
Auch in Deutschland scheint die rechtliche Lage bezüglich der begehrten Bindenschildmarke 
recht unklar gewesen zu sein. Die Essenz dieser Auseinandersetzungen lag dort in der 
Frage, ob dem Bindenschild Freizeicheneigenschaft zuzubilligen sei oder nicht. Das öster 
reichische Markenschutzgesetz von 1890 umschreibt zwar in § 3, Z. 3 den Begriff des Frei 
zeichens, doch wird der Terminus selbst nicht genannt: von der Registrierung ausge 
schlossen, daher zur Erwerbung eines Alleinrechtes nicht geeignet, sind solche Warenzei 
chen, welche... 3. zur Bezeichnung von bestimmten Warengattungen im Verkehre allgemein 
gebräuchlich sind ...” Die Auffassung des Freizeichens in Deutschland warfast identisch. Im 
ersten Band des deutschen Warenzeichenblattes wird unter dem Titel „Ergebniß vorläufiger 
Ermittelungen über Freizeichen” mitgeteilt: „Nach § 4 des Gesetzes zum Schutze der 
Waarenbezeichnungen vom 12. Mai 1894 ist die Eintragung in die Zeichenrolle solchen 
Waarenzeichens zu versagen, welche sich als Freizeichen darstellen. Ob ein Waarenzei- 
chen als ein Freizeichen anzusehen ist, hat das Patentamt im Falle der Anmeldung des Zei 
chens auf dem durch § 10 des Gesetzes vorgeschriebenen Wege zu prüfen und zu entschei 
den ...” Da dem Patentamt selbst die nötigen Informationen und Unterlagen fehlten, richtete 
es an die deutsche Handelskammern und an zahlreiche kaufmännische und gewerbliche 
Vereine einen Aufruf, solche Freizeichen bekanntzugeben, wobei folgende Definition des 
„Freizeichens” gegeben wurde: „Als Freizeichen im Sinne des Gesetzes werden nach dem 
bestehenden Rechtsgebrauche solche Zeichen zu verstehen sein, welche zur Zeit der An 
meldung, sei es allgemein, sei es innerhalb gewisser Verkehrskreise, zur Bezeichnung der 
Waarengattung, für welche das Zeichen bestimmt ist, oder gleichartiger Waarengattungen 
bereits gebräuchlich ist...” Dieser Aufruf des deutschen Patentamtes ist deshalb von großer 
Bedeutung, weil aufgrund einer entsprechenden Angabe des „Verbandes keramischer Ge 
werke” in Koburg der Bindenschild und seine umgedrehte Entsprechung, der Bienenkorb, 
als angenommenes Freizeichen im Warenzeichenblatt des Jahres 1895 in der Abteilung 
„Freizeichen” Klasse 29 abgebildet wurde. Wichtig ist auch der Begleittext zu diesen Abbil 
dungen: „Von dem Verbände keramischer Gewerke in Deutschland zu Koburg wird mitge- 
theilt, daß eigentliche Freizeichen in der keramischen Industrie nicht existiren. Nur für das 
Zeichen der im Jahre 1864 aufgelösten k.k. Wiener Porzellanfabrik wird die Freizeichen 
eigenschaft in Anspruch genommen, wenngleich eine bestimmte Erklärung in dieser Rich 
tung nicht vorliegt. Das Zeichen hat folgende Gestalt:... (hier folgen die beiden Abbildungen) 
... und wird auch häufig verkehrt angewendet und dann Bienenkorb genannt.” 
Dieser Text ist in sich so sehr widersprüchlich, daß daraus die ganze Problematik um die 
Wiederverwendung des Bindenschilds klar ersichtlich ist. Warum sah man den Bindenschild 
als Freizeichen an, wenn „eigentliche Freizeichen in der keramischen Industrie nicht 
64
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.