Kindheit, Jugend und Schulzeit von Josef und Ludwig
Lobmeyr
Der Erstgeborne, Josef, kam am 1. Februar 1828 zur Welt,
dann folgte ich am 2. August 1829. Unser beider Geburtshaus
stand am Mehlmarkt und zwar an der Stelle, an welcher jetzt
das Haus [Hotel Meisel] im Nürnberger Stile sich befindet. Im
Oktober des nächsten Jahres kam Bruder Franz zur Wolt,
darauf Schwester Louise, dann wieder ein Schwesterchen,
das fünfjährig starb. Dieser folgte ein Zwillingspaar, welches
die Geburt nur wenig überlebte, [dann] noch ein Brüderchen,
dem auch nur ein paar Monate des Daseins gegönnt waren,
schließlich 1839 Schwester Mathilde. Als bezeichnend für die
Kinderliebe der Mutter möchte ich hier noch einfügen, was ich
wohl erst nach ihrem Tode erfuhr, daß als ihr bei der Geburt
der Zwillinge das erste Würmchen gezeigt wurde und man ihr
sagte, es käme noch eines, sie eine Beseeligung fühlte, wel
che sich unmöglich beschreiben lasse.
[Was nun mich betrifft so] hatte [ich] sehr weiße Hautfarbe,
dazu doch etwas rosige Wangen, dünnes, lichtes Haar; so
kam es, daß als mein Kindsmädchen mich auf dem Arme tra
gend sich einmal angestellt hatte, die Frau Erzherzogin Sofie
aussteigen zu sehen, diese herantrat, frug, wessen Kind ich
sei und mir die Wange streichelte, [was die Eltern mit Stolz er
füllte].
Als Josef kaum sechs Jahre war, wurde ihm ein Lehrer gehal
ten; ich, der ich immer mit diesem älteren Bruder zusammen
spielte, während Franz, der schon in den ersten Jahren oft lei
dend war, sich mehr an die Schwestern hielt, verlangte nun
auch, mit ihm zu lernen; man gestattete mir, mich dazu zu set
zen, der Lehrer frug mich dann, wie dieser und jener Buch
stabe heiße, ich möge es ihm doch sagen, da er es gerne wis
sen möchte. „Nun sehn’s, jetzt wissen Sie’s selber nicht“ war
meine Antwort. Den Scherz seiner Frage erfaßte ich nicht, wie
ich denn auch später nicht, ja niemals für manchen, namefrt-
ked zu kräftigen Scherz eine Empfänglichkeit aufzubringen
vermochte. Das Derbe insbesonders hat mich stets abge
stoßen.
Mein Bruder kam mit 6 1 /2 Jahren in die sechsklassige Nor
malschule zu St. Anna; ich zählte erst 5 Jahre, ward [aber]
doch zugelassen und stieg Jahr um Jahr in die folgende
Klasse auf, so daß ich mit 11 Jahren und zwar mit vorzügli
chen Zeugnissen austrat. Nun sollte ich in die Realschule am
Polytechnikum eingeschrieben werden, dafür war aber das
13. Lebensjahr erforderlich; ich mußte [wiederholte] nun [le
diglich], um nicht zu Hause herumzulungern, das letzte Jahr
bei St. Anna wiodorholon und ward dann ausnahmsweise mit
12 Jahren in jene Schule aufgenommen, in welcher ich die
zwei Jahrgänge ebenfalls mit gutem Erfolg durchmachte.
Darauf kam ich in die kommerzielle Abtheilung, hörte dann die
Kurse für Physik und Chemie, [und] ging nur zu kurze Zeit, in
die Zeichenschuie des Professors Zimmermann im St. Annen-
gebäude. Dazu kam das Erlernen von Französisch, italienisch
und Englisch, womit ward der Abschluß gemacht ward. [Denn]
ich trat nun in’s Geschäft ein, um meine ganze Zeit demselben
zu widmen. [Ohnehin] hatte [ich] früher schon manche
Stunde, namentlich Abends, in demselben verbracht, so daß
ich damit bereits völlig vertraut war.
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260 Zeugnis von Ludwig Lobmeyr, k. k. Normal-Hauptschule, erste Klasse,
St. Anna, 3. August 1835
260 School report of Ludwig Lobmeyr, Imperial Grammar School, first
grade, St. Anna, 3rd August 1835
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261 Zeugnis von Ludwig Lobmeyr, k. k. Normal-Hauptschule, 4. Klasse,
St. Anna, 5. März 1841
261 School report of Ludwig Lobmeyr, Imperial Grammar School, fourth
grade, St. Anna, 5th March 1841
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