Reise nach Slavonien 1849
Möller und ich richteten dagegen wieder zur Fahrt nach Sla
vonien, welche diesmal weit umständlicher war.
Als die Bewegung in Ungarn bereits einen höchst gefährlichen
Umfang erreicht hatte, überschritt Banus Jellachich mit 40.000
Mann Grenztruppen im September v. Jahres die ungarisch
kroatische Grenze; damit war der Revolutionskrieg eröffnet,
der bald von Seite der Magyaren mit verblüffendem Erfolg ge
führt wurde; unser Gebiet in Slavonien war und blieb davon
völlig unberührt, nur konnten wir nicht wie sonst durch Ungarn,
sondern mußten über Steyermark im Rücken der Armee [den
Weg] nehmen und brauchten selbst so wohlvidimirte Pässe,
um unbeanstandet durchkommen zu können. So kamen wir
[Wir fuhren also] am 2. Juli nach Prag, wo Bruder Franz sich
seiner Studien halber aufhielt, da auch das Polytechnikum in
Wien gespefft [geschlossen] war. Von da ging’s nach Mar
burg, wo wir nur durch besonderes Bemühen eines Einheimi
schen einen Wagen nach Copreinitz erhielten, mit dessen Ei
genthümer abgemacht war, daß er uns auf Verlangen auch
nach Pittomach zu fahren habe. Von da wollten wir dann noch
mit neuem Fuhrwerk bis Veröce Lafßfe« [gelangen]., doch
schien alle Mühe, eines aufzutreiben, für heute und auch für
morgen vergebens. Der Wirth sagte sehr abfertigend: die Bau
ern machen sich nichts aus dem „Zettelgeld“, dazu sei Ernte
zeit, da sei Niemand frei! Uns winkte der einzige Ausweg, zu
Fuß dahin zu wandern, was namentlich für den dicken Möller
sehr peinlich gewesen wäre. Ich wollte hell auflachen, als die
ser unmuthig losplatzte: Nun, wo ist denn die Post? - der Wirth
aber erwiederte unverweilt „gleich nebenan!“ Allah ist groß!
dachte ich mir - seit drei Tagen war hier die Post eingerichtet!
Wir bekamen Extrapost, die freilich auch nur ein gewöhnlicher
Bauernwagen, auf der nächsten Station gar nur ein gewöhnli
cher Bauernwagen, auf der nächsten Station gar nur ein Zi
geunergefährt und nur dadurch gekennzeichnet war, daß der
Kutscher ein Posthorn umhängen hatte, das er nicht zu blasen
verstund. Eine Station fuhren wir mit herrschaftlichen Post
pferden, die waren freilich gut, aber das Riemenzeug so
elend, daß es wiederholt riß und wir [selbst] in Gefahr waren,
umzuwerfen; nun, die Einrichtung selber war aber ganz neu!
Um die Uebergabe der Fabrik [Marienthal] an die Herrschaft
durchzuführen, verweilten wir bis zum 13. Juli; dann fuhren wir
nach Vuchin und nächsten Tag nach Zvecevo, wo unter dem
Personale die Ruhr herrschte. Dennoch setzten wir unsere
vorjährige Arbeit [ruhig, doch einige Vorsicht beachtend] fort.
Es erkrankte erst Hondl, dann der Buchhalter Weichinger, ein
Dritter und Vierter, glücklicherweise kamen Möller und ich gut
durch. Der Gutsherr, welcher regelmäßig jede zweite Woche
bei uns verbrachte, kam manchmal auch mit Gästen; er fühlte
sich da angenehmer als in Vuchin, wo er eigentlich [insoferne]
keinen richtigen Beamten mehr hatte, denn [weil] jeder seiner
Leute that, was er wollte. Se gab er, [Ergab] da er keine Arbei
ter bekam, die Wiesen gegen mäßige Abfuhr von Heu für sein
Vieh, erhielt aber kaum, was er brauchte. Die Bauern führten
ihm sogar das trockene Holz weg, so daß seine Orangerie, auf
die er viel hielt, zugrunde gehen mußte; in seine Schnecken
zucht trieben sie ihre Schweine; seine eigenen Leute machten
es auch nicht besser, kurz - es war eine Mißwirtschaft zum Er-
.
h|
' . . A / /
409 Becher (Papierschnitt); Höhe: 10.1 cm, bez.: „B.8/ Becher mit / 9 vene-
tianisch gesponnenen / Streifen mit weißen Fäden u / 9 roth u weiß oder/blau
u weiß marmorirte Streifen“
409 Beaker (paper pattem); height: 10.1 cm
barmen, bis sich endlich Hondl der Sache annahm und einige
Ordnung schuf.
Es galt auch mit Hondl einige Abmachungen wegen Marien
thal zu treffen, namentlich wegen einiger zu übernehmender
Arbeiter von dort; dann brauchten wir nur noch ein Inventar
von Zvecevo, das bereits dem Abschlüsse nahe war; hier hat
ten wir keine auseichende Beschäftigung, in Wien gab's der
Ereignisse nicht wenige, aus Ungarn kamen aufregende
Nachrichten, denn am 14. Juli ward Jellachich bei Hegyes von
den Ungarn geschlagen, so daß ersieh zurückziehen mußte-
kein Wunder also, daß mir hier die Zeit zu lange wurde, ich um
die Behelfe, welche wir noch brauchten, immer ungeduldiger
drängte, bis man sie endlich fertig stellte. Am 25. Juli fuhren
Möller und ich wieder von Vuchin ab, denselben Weg, den wir
gekommen waren, und nur hin und wieder auf Schwierigkeiten
stoßend, bis wir völlig aus dem Bereiche der Truppen gekom
men waren. Wir trafen am 28. Juli daheim ein und waren nicht
wenig erstaunt, zu erfahren, daß wir schon seit acht Tagen er
wartet wurden und man unsertwegen bereits besorgt war.
165