ungünstig gestaltete, sogar etwas zu eitern begann, so daß
ich ein paar Wochen auf meinem Zimmer bleiben mußte, wo
ich es als eine höchst erwünschte Unterbrechung des öden
Einerlei’s betrachtete, wenn mich Weichinger, welcher nur der
Niederlage in der Unterstadt Essegg Vorstand, oder auch nur
der Zählkellner besuchte. Ich schrieb fleißig nach Hause, no-
tirte mir auch manches von den Landessitten auf, ich las,
zeichnete, war aber immer froh, wenn Schlafenszeit kam, ein
Tag wieder vorüber war. An etwas günstigeren Tagen ging ich
wohl auch aus, denn war’s auch etwas gewagt - ich mußte
zeitweise wieder mehr Menschen sehen! Auch ging ich
manchmal in’s [sehr] nahe Theater, in dem, für Essegg, ganz
gut gespielt wurde.
Gegen Mitte Dezember kam mir der gerichtliche Bescheid zu,
den ich sogleich an D r Ecke! in Wien sandte, von dem ich in
wenigen Tagen den Entwurf zu unserer Replik erhielt, den ich
nun entsprechend timafbettete [zurechtmachte] ; ich schrieb
bis spät nach Mitternacht, legte mich mit der Hoffnung zu Bett,
nun gut zu schlafen, aber wie die meisten früheren Nächte
wälzte ich mich meist hin und her bis zum grauenden Morgen,
dann stund ich auf, schrieb meinen Aufsatz rein, hatte aber bis
Nachmittag 5 Uhr fleißig zu thun, um den schweren Brief noch
rechtzeitig zur Post zu bringen, denn D r Eckel mußte die Arbeit
nochmals überprüfen. So viel wie diesmal habe ich wohl nie
wieder innerhalb dreißig Stunden geschrieben!
Es kamen [wohl auch] der Platzhauptmann und andere Her
ren, welche ich früher bei Tisch oder im Kasino kennen gelernt
hatte, mich das eine oder anderemai zu besuchen, aber dies
konnte die übergroße Oede meines Zimmerarrestes kaum ir
gend erträglicher machen, welche ich am Weihnachtsabend
und an den Feiertagen am drückendsten fühlte. Allerwärts
gab’s Frohsinn und Freude, ich war erst recht einsam an die
sen Tagen und mußte mich aufraffen, um nicht bedenklich ver
stimmt zu werden. Mich packte der Gedanke: zurück nach
Wien! - Am 20. Dezember kam die Replik von Wien berichtigt
zurück, ich setzte mich wieder fest hin und schrieb, daß selbst
der Kellner nicht begriff, daß ich das aushalten könne, endlich
am andern Tage war sie mit allen Belegen in Reinschrift fertig;
unser Essegger Rechtsanwalt beschränkte sich gerne darauf,
Alles ungelesen zu unterfertigen und dann einzureichen, was
auch mir vollkommen genügte. Ich fahre noch zum Präsiden
ten und Referenten, um ihnen wieder die Angelegenheit
wärmstens zu empfehlen, morgen - es geschah nur alle acht
Tage - kommt der Eilwagen an, dann fort, fort!
Aber der Präsident hatte die Weihnachtsferien benützt, auf
seiner Landwirthschaft nachzusehen, ich mußte unbedingt
bleiben, denn Schaffer meinte, ich müsse beiden Herren eine
gefütterte Karte auf ihren Tischen zurücklassen, dem sonst
sei trotz der Empfehlung des Ministers keine Förderung zu er
warten.
So kam der 31. Dezember. Schaffer fuhr früh heim, um den
Jahreswechsel mit den Seinen zu feiern - ich blieb allein! -
doch als ich Nachmittags in’s Kasino kam, traf ich einen jun
gen Advokaten, Werofsky, mit dem ich da früher wiederholt ge
plaudert hatte und als er von meiner Vereinsamung hörte, lud
er mich ein, den Abend mit ihm, seinem Bruder und ein paar
Freunden bei ihm zu verbringen, worauf ich mit Freude ein
ging. Nun kamen mir wohl Besorgnisse: der junge Advokat
war Erzmagyare, vielleicht pflegte man dort auch hoch zu
spielen - ich hielt vorsichtig Nachfrage, erfuhr aber nichts
Ungünstiges; der Junge, welcher mich zu holen hatte, kam,
ich folgte, ward herzlich empfangen. Ehestens ging's zu Tisch,
der schicklich bestellt war, dazu Wein, Punsch, schwarzer Kaf
fee, endlich noch Grog, es wurde musizirt, gesungen, ge-
schrien, getanzt und gesprungen, die Anderen - ich hielt mich
möglichst mäßig - lachten sich gegenseitig über ihr Benebelt
sein aus, tranken Bruderschaft mit Eljen, es erklangen die ver
botenen Märsche und ungarische Lieder, dann ein illyrischer
Neujahrsgesang, doch nur um dazu zischen und pfeifen zu
können; bei all dem war aber doch der Scherz und die Heiter
keit so überwiegend, daß mich nichts verletzte, umso weniger,
als man auch mit Freudigkeit deutsche Lieder und italienische
Arien dazwischen sang. Bald nach ein Uhr gingen wir ausein
ander und als am Neujahrsmorgen 1851 der Kellner um 9 Uhr
mir das Frühstück brachte, mußte er mich wecken. Ich hatte
lange nicht so gut geschlafen, fühlte mich wohler als die vor
hergegangenen Tage und blieb für immer dem unerwartet auf
getauchten Freunde, den ich später nie wieder begegnete, für
die mir ungemein willkommene Einladung dankbar. Wenn ich
in späteren Jahren erfuhr, daß Jemand, den ich halbwegs
kannte, am Sylvesterabend zum Alleinsein verurtheilt sei, bot
ich ihm um so bereitwilliger mein Haus an, damit er nicht am
Jahreswechsel sich mit trübseligen Gedanken zu befassen
brauche.
Endlich am 4. Januar kam der Präsident, bei dem ich nun so
gleich meinen Abschiedsbesuch machte, meine gefütterte Vi
sitenkarte zurückließ; dann versuchte ich dasselbe beim Refe
renden, der mir aber die Karte sogleich zurückgab. Der Kürze
wegen füge ich gleich hier bei, daß als ich das nächste mal
wieder nach Essegg und zum Präsidenten kam, auch dieser
mir jene zurückgelassene Karte sogleich wieder einhändigte.
Das unter der Karte sorgfältig angeklebte Couvert war gewiß
uneröffnet geblieben und nicht davon Einsicht genommen
[worden], wie viel es enthielt, dies also nicht entscheidend ge
wesen. Ich entschuldigte mich dort und da mit ein paar Wor
ten, es kam dabei zu keiner peinlichen Szene. Es galt früher
als allgemein anerkannt, daß man solche Herren im Vorhinein
von seiner Bereitwilligkeit überzeuge, ihre Mühen anzuerken
nen; ich glaube nicht, daß die beiden Herren als Ausnahme
galten. Aber wir waren Wiener und mit einer besonderen Emp
fehlung unseres Ministers gekommen, vielleicht, aber nur viel
leicht glaubten sie uns gegenüber vorsichtiger sein zu müs
sen. -
Ich hatte meine Kartelür den Eilwagen, welcher am 5 ten oder
6 ten , genau war’s nicht bestimmt, kommen sollte; mein Reise
gefährte, ein Herr Frühberth, stund schon seit dem 4t en in sei
nen Filzstiefeln in steter Bereitschaft und konnte nicht begrei
fen, daß ich in’s Theater gehe, andererseits aber sagte er: ich
werde mir allenfalls zwei Stationen vor Pesth Extrapost neh
men, wenn ich so nur den Train nach Wien erreichen kann. Ich
sagte ihm, hier könne man mit Ungeduld nichts erreichen, ich
hätte aber Anstalt getroffen, sogleich zu erfahren, wenn der
Postwagen da sei und werde dann rechtzeitig am Platze sein,
dort könne mir die-Beschlounigung von Nutzen sein {werden}r
Der Wagen kam am 6 ten Januar, war aber besetzt; Beiwagen
gab es hier nicht, ich mußte Zurückbleiben und ging mir dies
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