Mittags gut und reichlich bewirthet wurden, Karten spielten
und ein, ich darf wohl sagen ungemessen heiterer Ton
herrschte, denn je gewagter und saftiger die Witze und
Scherze waren, um so anregender wirkten sie. Nachmittags,
als noch einige herrschaftliche Kammerkätzchen sich einfan
den, wurde selbst eifrig getanzt; ich that dabei nicht mit, war
vielmehr dieser zu gewürzten Genüsse bereits satt und froh,
als wir wieder aufbrachen und heimkehrten.
Noch war Manches zu erledigen, [auch] eeek irgend eine Ein
gabe zu machen und ersuchte ich schicklicher Weise unseren
Advokaten, sie abzufassen. Was er brachte war so wirr, daß
ich mich anbot, einige Aenderungen vorzunehmen, worauf er,
wie immer, gerne einging; ich krempelte das Zeug völlig um,
übergab ihm meine Akten, er reichte sie ein, denn er war, was
man sagt, ein guter Kerl.
Hondl hatte [der] beantragt, wir sollten zusammen nach Zve-
cevo fahren, [hatte] sich aber auch daran nicht gehalten, son
dern war einfach weggezogen; also fuhren Schaffer und ich
zunächst nach Orowitz und nächsten Morgen, am 11. Juni,
weiter nach Zvecevo, wo wir unverweilt mit der Inventur be
gannen.
Der seitherige Direktor Trnka hatte sich, sagen wir Einiges, er
spart; er sah ein, daß seine Stellung hier nicht mehr zu halten
war und errichtete etwas unangenehm nahe eine kleine Fa
brik, die aber erst im Bau begriffen war. Er hatte noch seine
Wohnung hier inne. Hondl betheiligte sich nicht werkthätig an
der Inventur, ich dagegen wie ein Taglöhner; Weichinger galt
als Vertrauensmann Hondl’s und machte uns auf verschie
dene Weise die Arbeit sauer und zeitraubend; es war eine gar
böse Zeit für mich. Hondl und Weichinger waren mir verhaßt
und doch mußte ich mit ihnen anscheinend freundlich verkeh
ren, Schaffer quälte mich mit seinen fortwährenden Besorg
nissen, einer so übertriebenen Schwarzseherei, daß ich all
meine Ruhe aufbieten mußte, um mit ihm gut auszukommen,
denn sonst wäre er mir vielleicht ausgerissen. Wenn ich über
dachte, daß der Pacht noch 11 Jahre daure und ich diese so
zu sagen schönsten Jahre meines Lebens in so widerwärtigen
Verhältnissen werde verbringen müssen, so that ich mir selber
gar sehr leid, aber ein gewisser Stolz, mich tüchtig genug zu
bewähren, die nicht geringe Verantwortung, welche man mir
jungem Menschen aufgeiastet, zu tragen, andererseits den
Gegner, welchen ich für unredlich halten mußte, hinunter zu
kriegen, hielten meine Willenskraft aufrecht, auch neuen Wi
derwärtigkeiten, an denen es nicht fehlte, Stand zu halten.
Die kleine, aber liebe Abwechslung, die es war, wenn der alte
Gutsherr für einige Tage herauskam, fehlte auch, denn er war
zunächst nach Ofen gefahren, um seine über neunzigjährige
Mutter nochmals zu sehen, dann für ein paar Wochen nach
Wien, wo er recht vergnügt bei meinen Eltern wohnte, denn in
einem Hotel hätte er sich nicht behaglich gefühlt.
Endlich war die Inventur ganz abgeschlossen; mir war darum
zu thun, eeeH-ieh [einmal] den Betrieb der Fabrik zu überneh
men; Weichinger, mit dem ich, um ihn von Zvecevo weg zu ha
ben, einen mehrjährigen Vertrag abschloß, durch den ich ihn
als Verwalter der Niederlage in Essegg, die er bereits seit eini
ger Zeit leitete, bestallte, sehnte sich schon sehr, dahin zu sei
ner Frau zu kommen, ich setzte darum leicht die Annahme al
ler Vorbehaltspunkte durch, welche mir geboten schienen. Am
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479 Flakon (Papierschnitt), „französisches Muster“, 1855; Höhe: 20 cm;
bez.: „Gold / franz M / a 1855 / lichtblauer / Flacon m. / Goldverzie / rung“
479 Bottle (paper pattern), “French pattem,” 1855; height: 20 cm
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