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Volltext: Ludwig Lobmeyr - schöner als Bergkristall

Bevor noch die Inventur völlig fertig war, kam ein trostloser 
Brief Schaffer’s: die Fabrikskasse war geplündert werden, 
wohl kein zu schwer empfindlicher Betrag, aber auch Doku 
mente [waren] gestohlen worden. Mir[ch] war [berührte] der 
Zwischenfall überaus unangenehm da er verschiedene Ver 
muthungen erweckte. Außerdem hatten sich einige Fabrikar 
beiter gegen Schaffer aufgelehnt, der in seinem [sonst] aner 
kennenswerten Bemühen, Alles in voller Ordnung zu halten, 
manchmal streng, selbst hart sein konnte. Es war also hohe 
Zeit für mich, hinzukommen. Ich erzwang es, daß die Inventur 
abgeschlossen wurde und eilte, weiter zu kommen. [Dann] 
■ted nahm [ich] in Zvecevo die Leute vor, welche sich unbot 
mäßig benommen hatten, las ihnen den Text eindringlich, aber 
auch wohlwollend, sie fügten sich. Ich hatte Auch Eht§os in 
der Buchführung [war Einiges] wieder einzurenken und als 
[ich] Alles wieder in Ordnung war [gebracht], kündigte ich 
Schaffer an, ich werde heimreisen, nachdem ich [um] die [er 
ste] Weltausstellung in London [zu] sehen wtW . Er war betrof 
fen, doch beruhigte er sich, als ich ihm versprach, im Novem 
ber wiederzukommen. 
Als ich am 26. August über die nächste Anhöhe weg war, so 
daß ich nichts mehr von der Fabrik sah, athmete ich auf. In 
Essegg hatte ich noch Verschiedenes zu bestellen, der dortige 
Banquier Gouriupp ersuchte mich, um das Porto zu ersparen, 
einen sehr namhaften Geldbetrag mitzunehmen und für ihn in 
Wien zu erlegen. Ich wollte weder unhöflich sein, noch angst' 
Uah [schwachmuthig] scheinen, aber die Nacht auf dem 
Dampfschiffe und die andere auf der Bahn war ich doch recht 
beunruhigt, [fühlte gar oft nach dem Gelde, das ich am Leibe 
trug] und [war] froh, als ich dann das Gold [es in Wien] wieder 
los war. 
Rückkehr nach Wien und Reise nach Berlin, Hamburg, Lüttich 
1851.- Besuch der Glasfabrik in Lüttich. - Fahrt nach London 
und Paris 
Kaum durfte ich’s mir gönnen, die Erinnerung aufzufrischen, 
wie angenehm ein Sonntag in Währing sei, so war der 7. Sep 
tember da, an dem Josef und ich zusammen abreisten. Wir 
fuhren über Brünn, Prag und Dresden bis Berlin, ohne ir 
gendwo Halt zu machen. Hier kaum angekommen, nahmen 
wir im bescheidenen Hötei zum König von Portugal einen 
Lohndiener, um bei zeitweisem Regen rasch den Thiergarten 
zu sehen, dessen schöne Anlage und geschmackvolle Häuser 
wir bewunderten, die Gemäldegalerie und das egyptische Mu 
seum zu besuchen, [über] deren reiche Schätze wir erstaun 
ten und uns daran, wie an den Freskomalereien nicht satt se 
hen konten. Der Mittagstisch im Hotel dagegen fand unsere 
Anerkennung gar nicht, auch nicht das so nüchterne königli 
che Schloß [Palais], das wir Nachmittags besahen, dagegen 
imponirte uns das Opernhaus [nebenjan und für sich und ge 
fiel auch die Aufführung von „Fidelio“ [dortgefiel uns] sehr gut. 
Wir überschritten beinahe unsere Weisung, indem wir noch 
den nächsten Tag blieben, um Potsdam zu sehen, was wir 
thunlichst gründlich thaten, gingen Abends noch in's Friedrich- 
Wilhelmtheater, das hübsch aussah, dann auch noch in das 
königl. Schauspielhaus, welches durch seine Nüchternheit 
sehr abfiel, dann begaben wir uns in eine Zuckerbäckerei, 
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492 Josef Lobmeyrjurh (1828 Wien-1864 Wien) 
492 Josef Lobmeyr, Jr. (1828 Vienna -1864 Vienna) 
schließlich in ein Bierhaus, in dem es ebenfalls höchst steif 
und langweilig herging. Wir hatten in den zwei Tagen das Mög 
lichste geleistet und nahmen den günstigsten Gesammtein- 
druck von Berlin mit. 
Am folgenden Tag machten wir die ob der öden Gegend, durch 
weiche wir fuhren, langweilige Fahrt nach Hamburg, das für 
uns eine neue Welt war. Zwei Wiener, welche wir unterwegs 
kennen gelernt hatten und die hier sehr bewandert waren, 
führten uns; das Alsterbassin, die vielen Kanäle, die beson 
dere Bauart vieler Häuser, der Hafen mit den zahllosen 
großen Schiffen, St. Pauli, die Judengasse, die Matrosen 
schänken mit ihrem tollen, lärmenden Treiben, Ailes interes- 
sirte uns gar sehr. Wir durchschifften selbstverständlich auch 
den Dragonersteg, hörten Abends im schönen, großen Thea 
ter Roget singen, nachtmahlten in der London tavern, besuch 
ten noch einen Nobie-Ball, auf dem nur Mädchen mit einander 
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