tanzten und die vielen anwesenden Herren zuschauten und
kamen erst um 1 Uhr zu Bett,
Andern Tags besahen wir uns ein Auswandererschiff u. A. m.,
machten Studien in Schildkrötensuppe, Austern u. dgl. m.,
schauten die großartigen Verkaufshallen und was uns sonst
empfohlen wurde, und waren stets hochbefriedigt.
Früh am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Dampfer nach
Harburg, von da mit der Bahn nach Lüttich. Ohne Aufenthalt
weiter nach Köln, eigentlich nach Deutz und mit Wagen den
ziemlich weiten Weg zum Kölner Bahnhof, während welcher
Fahrt wir nichts sahen, was uns einen günstigen Eindruck hin
terlassen konnte.
In Lüttich, wo wir um 4 Uhr Morgens eintrafen, ruhten wir nur
ein paar Stunden, fuhren [dann] nach der ziemlich entfernten
Glasfabrik und staunten in dem schönen, breiten Thal, das wir
durchmaßen, so viel großartiges industrielles Leben, Fabriken
mit violon rauchenden Schornsteinen und anderen Gebäu
den, zahllose beladene Lastwagen u. A. m. zu sehen. In der
Glasfabrik ließ man uns ein, obwohl wir kein Empfehlungs
schreiben mitbrachten, führte uns bereitwillig herum; wir sa
hen mächtigere Glasöfen, als wir in Böhmen haben, Kohlen
feuerung und eine ganz andere als unsere Arbeitstheilung,
wetehe-de-f [gebothen für diese] teigigeren Glasmasse ormög
J+ebt, [welche] noch bildsam m bleibm[t], wenn sie aus der
Rothglühhitze in’s Graue übergeht, während unsere nur in der
Weißglühhitze ein Formen zuläßt. Bei uns muß der Glasbläser
allein mit seinem Jungen auf das flinkeste hantieren, hier sitzt
eine Gruppe von vier, selbst fünf zusammen, der Eine arbeitet
dem Andern in die Hand, die Arbeit geht ruhig weiter und da
der erste z. B. an einem Kelchglase nur den Kelch, der näch
ste den Stengel, der dritte den Boden macht und gar nahezu
immer dasselbe, so wird se [leicht] eine große Gleichmäßig
keit der Erzeugnisse erzielt. Unser Glas dagegen ist härter,
[auch] schöner und widerstandsfähiger; wir müssen Schmelz
zeit, die eine höhere Hitze bedingt, aad [als] Arbeitszeit [von
einander] trennen. Hier geht das Schmelzen und Arbeiten ne
ben einander vor, dafür sind zwei Schichten Arbeiter von je 12
bis 11 Uhr; ist ein Hafen leer geworden, schreitet die Gruppe
zu einem anderen, dessen Masse inzwischen fertig geschmol
zen wurde. Auch die Kühlkanäle sind äußerst zweckmäßig,
doch ich will hier nicht zu viel Technik treiben, nur bemerken,
daß es für uns gar viel zu staunen gab und wir höchst befrie
digt dies große Unternehmen verließen.
Die Wagen I. Klasse, mit denen wir [dann] weiter fuhren, wa
ren [aber] nicht besser als unsere III. Klasse. Immer sahen wir
die ganze Fahrt entlang bis Ostende Fabriken, das machte
uns die Nüchternheit der Landschaft völlig übersehen. Die
Ueberfahrt in schöner Nacht ging ohne Unbehagen vorüber,
um 5 Uhr Morgens landeten wir in Dover; hier wurden die
Pässe geprüft, das Reisegepäck untersucht, wir konnten
darum [leider] nicht mehr mit dem Schnellzuge weiterkom
men.
Es war die erste Seefahrt, die ich machte; ich suchte Alles in
mich aufzunehmen, was sich mir da Neues bot, und als wir
über die Dächer der Häuser weg am Sonntag den 13. Sept.
um 11 Uhr durch dichten Nebel in London einfuhren, rollte Zug
auf Zug an uns vorbei mit Städtern, welche in das sonnige Ge
biet der Umgebung eilten. Wir waren auf Anrathen in einem
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493 Franz Lobmeyr (1830 Wien -1903 Triest)
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höchst unansehnlichen Hotel de la Sabloniere abgestiegen,
wo wir nur ein unbedeutendes Zimmer bekamen; doch wir wa
ren [ja] noch junge Leute! - Mittags fuhren wir auch hinaus,
und zwar nach Hampton Court, dem architektonisch schönen,
großen Schlosse mit den Rafael-Cartons, sonst mäßigen Bil
dern, den Glashäusern und dem [vielgerühmten] riesigen
Weinstocke, der hunderte von Trauben trug, im großartigen,
herrlichen Park; später fuhren wir durch prachtvolle Alleen, die
wir vom Omnibusdache aus veH [erst recht] bewundern konn
ten, nach Richmond, wo wir um 7 Uhr, eigentlich zu spät für
unseren Hunger, speisten, dabei w# [aber]die allerlei Traktät-
lein durchsehen konnten, welche uns der englische religiöse
Uebereifer unterwegs zugesteckt hatte, und dann [worauf wir]
gerne nach der Stadt zurückfuhren, um [uns] endlich einmal
wieder [an] einen längeren Schlaf zu fbtm- [erquicken],
[Aber] Frühestens jeeteeb erhoben wir uns [doch gerne] wie
der vom Lager, nahmen [um nach einem besseren Zimmer zu
suchen, das wir] in Bond-Street [fanden] oin Zimmer, wander-
ten dann gleich te [durch] den Hyde-Park in das das damals
[zur Zeit] größte Glashaus der Welt [dem Ausstellungspala
ste], suchten zunächst einen Ueberblick über die nach damali
gen Begriffen ganz gewaltige Ausstellung zu gewinnen und
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