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Volltext: Ludwig Lobmeyr - schöner als Bergkristall

tanzten und die vielen anwesenden Herren zuschauten und 
kamen erst um 1 Uhr zu Bett, 
Andern Tags besahen wir uns ein Auswandererschiff u. A. m., 
machten Studien in Schildkrötensuppe, Austern u. dgl. m., 
schauten die großartigen Verkaufshallen und was uns sonst 
empfohlen wurde, und waren stets hochbefriedigt. 
Früh am nächsten Morgen fuhren wir mit dem Dampfer nach 
Harburg, von da mit der Bahn nach Lüttich. Ohne Aufenthalt 
weiter nach Köln, eigentlich nach Deutz und mit Wagen den 
ziemlich weiten Weg zum Kölner Bahnhof, während welcher 
Fahrt wir nichts sahen, was uns einen günstigen Eindruck hin 
terlassen konnte. 
In Lüttich, wo wir um 4 Uhr Morgens eintrafen, ruhten wir nur 
ein paar Stunden, fuhren [dann] nach der ziemlich entfernten 
Glasfabrik und staunten in dem schönen, breiten Thal, das wir 
durchmaßen, so viel großartiges industrielles Leben, Fabriken 
mit violon rauchenden Schornsteinen und anderen Gebäu 
den, zahllose beladene Lastwagen u. A. m. zu sehen. In der 
Glasfabrik ließ man uns ein, obwohl wir kein Empfehlungs 
schreiben mitbrachten, führte uns bereitwillig herum; wir sa 
hen mächtigere Glasöfen, als wir in Böhmen haben, Kohlen 
feuerung und eine ganz andere als unsere Arbeitstheilung, 
wetehe-de-f [gebothen für diese] teigigeren Glasmasse ormög 
J+ebt, [welche] noch bildsam m bleibm[t], wenn sie aus der 
Rothglühhitze in’s Graue übergeht, während unsere nur in der 
Weißglühhitze ein Formen zuläßt. Bei uns muß der Glasbläser 
allein mit seinem Jungen auf das flinkeste hantieren, hier sitzt 
eine Gruppe von vier, selbst fünf zusammen, der Eine arbeitet 
dem Andern in die Hand, die Arbeit geht ruhig weiter und da 
der erste z. B. an einem Kelchglase nur den Kelch, der näch 
ste den Stengel, der dritte den Boden macht und gar nahezu 
immer dasselbe, so wird se [leicht] eine große Gleichmäßig 
keit der Erzeugnisse erzielt. Unser Glas dagegen ist härter, 
[auch] schöner und widerstandsfähiger; wir müssen Schmelz 
zeit, die eine höhere Hitze bedingt, aad [als] Arbeitszeit [von 
einander] trennen. Hier geht das Schmelzen und Arbeiten ne 
ben einander vor, dafür sind zwei Schichten Arbeiter von je 12 
bis 11 Uhr; ist ein Hafen leer geworden, schreitet die Gruppe 
zu einem anderen, dessen Masse inzwischen fertig geschmol 
zen wurde. Auch die Kühlkanäle sind äußerst zweckmäßig, 
doch ich will hier nicht zu viel Technik treiben, nur bemerken, 
daß es für uns gar viel zu staunen gab und wir höchst befrie 
digt dies große Unternehmen verließen. 
Die Wagen I. Klasse, mit denen wir [dann] weiter fuhren, wa 
ren [aber] nicht besser als unsere III. Klasse. Immer sahen wir 
die ganze Fahrt entlang bis Ostende Fabriken, das machte 
uns die Nüchternheit der Landschaft völlig übersehen. Die 
Ueberfahrt in schöner Nacht ging ohne Unbehagen vorüber, 
um 5 Uhr Morgens landeten wir in Dover; hier wurden die 
Pässe geprüft, das Reisegepäck untersucht, wir konnten 
darum [leider] nicht mehr mit dem Schnellzuge weiterkom 
men. 
Es war die erste Seefahrt, die ich machte; ich suchte Alles in 
mich aufzunehmen, was sich mir da Neues bot, und als wir 
über die Dächer der Häuser weg am Sonntag den 13. Sept. 
um 11 Uhr durch dichten Nebel in London einfuhren, rollte Zug 
auf Zug an uns vorbei mit Städtern, welche in das sonnige Ge 
biet der Umgebung eilten. Wir waren auf Anrathen in einem 
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493 Franz Lobmeyr (1830 Wien -1903 Triest) 
493 Franz Lobmeyr (1830 Vienna -1903 Triest) 
höchst unansehnlichen Hotel de la Sabloniere abgestiegen, 
wo wir nur ein unbedeutendes Zimmer bekamen; doch wir wa 
ren [ja] noch junge Leute! - Mittags fuhren wir auch hinaus, 
und zwar nach Hampton Court, dem architektonisch schönen, 
großen Schlosse mit den Rafael-Cartons, sonst mäßigen Bil 
dern, den Glashäusern und dem [vielgerühmten] riesigen 
Weinstocke, der hunderte von Trauben trug, im großartigen, 
herrlichen Park; später fuhren wir durch prachtvolle Alleen, die 
wir vom Omnibusdache aus veH [erst recht] bewundern konn 
ten, nach Richmond, wo wir um 7 Uhr, eigentlich zu spät für 
unseren Hunger, speisten, dabei w# [aber]die allerlei Traktät- 
lein durchsehen konnten, welche uns der englische religiöse 
Uebereifer unterwegs zugesteckt hatte, und dann [worauf wir] 
gerne nach der Stadt zurückfuhren, um [uns] endlich einmal 
wieder [an] einen längeren Schlaf zu fbtm- [erquicken], 
[Aber] Frühestens jeeteeb erhoben wir uns [doch gerne] wie 
der vom Lager, nahmen [um nach einem besseren Zimmer zu 
suchen, das wir] in Bond-Street [fanden] oin Zimmer, wander- 
ten dann gleich te [durch] den Hyde-Park in das das damals 
[zur Zeit] größte Glashaus der Welt [dem Ausstellungspala 
ste], suchten zunächst einen Ueberblick über die nach damali 
gen Begriffen ganz gewaltige Ausstellung zu gewinnen und 
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